Alle ÖVP-Affären im Überblick: Die Causae der Volkspartei in Österreich seit 2016

ÖVP Korruptions-Affäre (2016)

Die ÖVP hat beginnend mit 2019 mit verschiedensten Affären mit diversen Anschuldigungen zu kämpfen. All diesen Causae liegt mangelndes Vertrauen bzw. der Verdacht auf Korruption in der ÖVP zugrunde. Sie lassen sich in einer „Elterncausa“ zusammenfassen: der ÖVP Korruptions-Affäre. Hauptvorwürfe: Postenschacher, Beeinflussung der Nationalratswahl 2017 und Veruntreuung öffentlicher Steuergelder.

Mitarbeiter*innen der ÖVP sollen ab 2016 mit dem Projekt „Ballhausplatz“ (dem Platz vor dem BKA) Sebastian Kurz zum Aufstieg zur Parteispitze verholfen haben. Weiteren „Parteifreunden“ soll ebenfalls zu Posten verholfen worden sein. ^[1,4,8]

Kontext: Durch die Ibiza-Causa losgetretene Hausdurchsuchungen gaben unter anderem Einblicke in das Smartphone von Thomas Schmid (ÖVP), dem damaligen Generalsekretär des Finanzamts. Es werden über 3000 Chat-Nachrichten bekannt, die Hinweise auf möglicherweise illegale Aktionen im Finanzministerium zugunsten von Sebastian Kurz geben. ^[1,9,10]

Einen beträchtlichen Teil der Korruptionsaffäre füllt die sogenannte ÖVP-Inseratenaffäre. Es sollen Umfragen in Auftrag gegeben und anschließend „frisiert“ worden sein, die die eigene Partei unter Kurz besser darstehen ließen. Unter anderem soll ein „Kinderbetreuungsprojekt“ (Gratis Nachmittagsbetreuung) der zu diesem Zeitpunkt regierenden SPÖ (Große Koalition mit ÖVP) sabotiert worden sein.^[6,9]

Johannes Frischmann
Und nur für dich: zahlen sind in schwankungsbreite frisiert.

28. Jänner 2017 / 14:14

Thomas Schmid
👍👏

Tüchtig

14:14

Johannes Frischmann
Wir schneiden schlechter ab als SPÖ

Das habe ich umgedreht.

14:14

Foto: Johannes Frischmann (c) eu2018.at

Der damalige ÖVP-Parteiobmann Reinhold Mitterlehner soll so demontiert und Sebastian Kurz als der „bessere Kandidat“ für die Partei platziert worden sein. Die Inseratenaffäre ist damit eng verknüpgft mit Kurz Wahlsieg und den mutmaßlichen Postenschachern. ^[1,8]

ÖVP Inseraten-Affäre (2017)

Vertraute von Sebastian Kurz (ÖVP), darunter Thomas Schmid, sollen 2017 Inserate des Finanzministeriums in den Medien „Österreich“ und „OE24“ als Gegenleistung für redaktionellen Einfluss geschalten haben. ^[1,2]

Das Budget für die Inserate und Studien soll rechtswidrig aus dem Finanzministerium abgezweigt worden sein, um Meinungsforscherin Sabine Beinschab mit der Erstellung gefälschter Umfragen zu beauftragen. Die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin soll gegen Provision zwischen Sabine Beinschab, der ÖVP und der Mediengruppe Österreich vermittelt haben. Die Brüder Wolfgang & Helmuth Fellner (Herausgeber & Finanzchef der Mediengruppe Österreich) werden der Bestechlichkeit beschuldigt. Es gilt die Unschuldsvermutung. ^[1,9]

Thomas Schmid
Liebe Fellners, ausgemacht war: DO: BREXIT. Sa: Maschinensteuer. So. wirtschaftskompetenz und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch – private Story von Schelling. Das ist eine echte Frechheit und nicht vertrauensbildend. Wir sind echt sauer!!!! Mega sauer.

27. Juni 2016 / 15:06

Wolfgang Fellner
Versteh ich voll – melde mich in 30 minuten – mache jetzt volle doppelseite ueber umfrage am mittwoch. Okay? Wolfgang fellner

15:10

Foto: Wolfgang Fellner (c) Manfred Werner

Die Inseraten-Affäre macht einen großen Teil der Korruptions-Affäre aus und führte schließlich zum Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler im Oktober 2021. ^[1]

Beschuldigte in der Inseraten-Affäre

• Sebastian Kurz (damaliger Außenminister)
• Wolfgang Fellner (Herausgeber von „Österreich“)
• Helmuth Fellner (Finanzchef von „Österreich“)
• Thomas Schmid (damaliger Generalsekretär des Finanzministeriums)
• Sabine Beinschab (Meinungsforscherin)
• Sophie Karmasin (Meinungsforscherin & damalige Familienministerin)
• Stefan Steiner (damaliger Generalsekretär der ÖVP)
• Gerald Fleischmann (Medienbeauftragter von Kurz)
• Johannes Frischmann (damaliger Pressesprecher des Finanzamts)

Kontext: Bei Ermittlungen der Causa-ÖBAG (Chats von Thomas Schmid) gerät Sebastian Kurz durch mutmaßliche Falschaussagen in der Ibiza-Affäre selbst in ein Ermittlungsverfahren – die Inseraten-Affäre wird losgetreten. ^[8,10]

ÖVP Schredder-Affäre (2019-2022)

Im Juli 2019 wird bekannt, dass ein Kurz-Vertrauter nur wenige Tage nach dem Ibiza-Skandal fünf Festplatten unter Verwendung des falschen Namens „Walter Maisinger“ aus dem Bundeskanzleramt geschmuggelt und vernichtet haben soll. ^[3,11]

Arno M., der verantwortliche Mitarbeiter von Kurz, ist zu dieser Zeit Social-Media-Chef im BKA. Die Affäre wurde publik, da dieser vergaß, die Rechnung für das Schreddern zu bezahlen. Der Chef der Schredder-Firma „Reisswolf“ soll Arno M. in einer Pressekonferenz hinter Kurz stehend wiedererkannt und daraufhin die Polizei gerufen haben. ^[3,13]

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nahm die Ermittlungen auf, trat diese allerdings kurze Zeit darauf an die Staatsanwaltschaft Wien ab. Dort wurden sie schlussendlich eingestellt. ^[15,16]

Im März 2021 wurden die Ermittlungen aufgrund neuer Erkenntnisse im Ibiza-Skandal wieder aufgenommen und im Jänner 2022 erneut eingestellt. Bis heute ist nicht geklärt, welche Daten vernichtet wurden. ^[17]

Kontext: Am 17. Mai 2019 wird die Ibiza-Affäre bekannt. Der damalige Vizekanzler HC-Strache (FPÖ) tritt am nächsten Tag zurück. Am 20. Mai 2019 wird ein Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung Kurz in die Wege geleitet. Fünf Tage nach dem Ibiza-Skandal, am 22. Mai 2019, ruft Arno M. bei der Firma „Reisswolf“ an, um Datenträger vernichten zu lassen. ^[3,12,14]

Causa Casinos (2021)

In der ÖVP-FPÖ-Koalition von 2017-2019 soll es mutmaßliche Absprachen zwischen Politiker*innen der Regierungsparteien und dem Glücksspielkonzern Novomatic gegeben haben. ^[22]

So soll Peter Sidlo, obwohl er als unqualifiziert galt, die Vorstandsposition der „Casinos Austria“ zugesprochen bekommen haben und im Gegenzug sollen Politiker*innen der FPÖ und ÖVP sich zugunsten der Wiedereinführung des „kleinen Glücksspiels“ in Wien sowie für Online- und Casino-Lizenzen verstärkt eingesetzt haben. ^[22]

btw. Casinos Austria ist zu 33,24% staatlich und gehört der ÖBAG

Auslöser für die Causa Casinos Austria war eine anonyme Anzeige, die bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingegangen ist: Die Bestellung von Peter Sidlo als Finanzvorstand soll von ÖVP und FPÖ mit Novomatic vereinbart worden sein. ^[23]

Am 12. August 2019 werden von der WKStA acht Hausdurchsuchungen durchgeführt – wegen Verdacht auf Bestechung / Bestechlichkeit. Diese Hausdurchsuchungen treten Ermittlungen für weitere Causae los – immer mehr ÖVP-Politiker*innen geraten in den Fokus.

Beschuldigte der Causa Casinos

• Peter Sidlo (Casinos-Austria-Vorstandsmitglied, FPÖ)
• Heinz Christian Strache (Vizekanzler, FPÖ)
• Johann Gudenus (FPÖ)
• Hartwig Löger (früherer Finanzminister, ÖVP)
• Thomas Schmid (Generalsekretär im Finanzministerium, später ÖBAG)
• Walter Rothensteiner (Casinos-Aufsichtsratspräsident)
• Josef Pröll (Stellvertreter des Aufsichtsratspräsidenten + früherer Finanzminister)

Causa ÖBAG (2021)

Eng verbunden mit der Casino-Affäre ist auch die Causa ÖBAG, da diese Anteile der Casinos Austria verwaltet. Konkret geht es um den damaligen Generalsekretär des Finanzamts Thomas Schmid. Diesem soll durch interne Absprachen zum Alleinvorstand der ÖBAG verholfen worden sein. ^[24]

2019 wird die damalige ÖBIB – GmbH in die heutige ÖBAG – eine Aktiengesellschaft – umgewandelt. Am 27. März 2019 wird Thomas Schmid zum Alleinvorstand der ÖBAG bestellt. ^{[5, 24]}

Im Zuge der Ermittlungen rund um die Ibiza-Affäre werden immer mehr Chats (insgesamt etwa 300.000) publik, die auf eine eng abgestimmte Kommunikation zwischen Politiker*innen im engeren Kreis von Sebastian Kurz schließen lassen, darunter Finanzminister Gernot Blümel und Thomas Schmid. ^{[24, 26]}

So soll Thomas Schmid bereits ab Sommer 2018 gewusst haben, dass er Chef der ÖBAG werden wird und sogar bei der Verfassung des Ausschreibungsverfahrens beteiligt gewesen sein. ^{[26, 27, 28]}

Im Juni 2021 tritt Thomas Schmid als Alleinvorstand der ÖBAG überraschend zurück, da er vom Aufsichtsrat für unhaltbar erklärt wurde. Neben dem Chefposten bei der ÖBAG selbst gab er auch die Aufsichtsratspositionen in Beteiligungsgesellschaften auf. ^{[24, 25]}

ÖVP U-Ausschuss (2022)

Am 2. März 2022 startete der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Er wurde durch die SPÖ, FPÖ und NEOS einberufen. Im ÖVP U-Ausschuss geht es um Thematiken wie mutmaßliche Bestechung, Amtsmissbrauch und beeinflusste Postenbesetzungen. ^[19]

Themen & Fragen des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses

• Wurden Vergabe- und Förderverfahren beeinflusst?
• Gab es Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes?
• Wurden Ermittlungen sowie Aufklärungsarbeiten beeinflusst?
• Gab es Begünstigungen bei der Personalauswahl?

Seniorenbund-Affäre Oberösterreich (2022)

Der Seniorenbund der oberösterreichischen ÖVP hat Corona-Förderungen in Höhe von fast zwei Millionen Euro bekommen. Diese Förderung war ausschließlich für Vereine und Nichtregierungsorganisationen vorgesehen. Im Mai 2022 wird publik, dass der Seniorenbund die Förderung unrechtmäßig bekommen und zudem mit dem Geld Personalkosten gedeckt haben soll – was explizit verboten ist. ^[22]

Wirtschaftsbund-Affäre Vorarlberg (2022)

Im Februar 2022 gibt es Anschuldigungen, dass Einnahmen durch Inserate vom Wirtschaftsbund Vorarlberg, einer Teilorganisation der ÖVP, an die ÖVP geflossen sind. Zudem droht dem Wirtschaftsbund eine Steuernachzahlung von 1,3 Millionen Euro.

Das „Vorarlberger Wirtschafts“ – Magazin (vom österreichischen Wirtschaftsbund) soll zwischen 2016 und 2021 etwa 4,5 Millionen Euro über die Schaltung von Anzeigen von teilweise landeseigenen Unternehmen erwirtschaftet haben. Nun steht das Magazin unter Prüfung des Finanzamts, da es bei der Schaltung dieser Anzeigen keine Umsatzsteuer abgeführt haben soll – es wird mit einer Nachforderung von etwa 1,3 Millionen Euro gerechnet. ^[21]

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