Regierungsbildung // floomagazin
Peter Lechner, CC BY-SA 4.0 , Grafik: floo.Magazin

Darf er das? Der Bundespräsident & die Regierungsbildung

Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen, die Regierungsmitglieder haben traditionellerweise ihren Rücktritt angeboten und alle Fragen sich, wer uns die nächsten Jahre regieren wird. Welche Partei soll den üblichen Regierungsbildungsaufrtag bekommen? Bundespräsident van der Bellen hat sich dazu entschlossen sich mit den Parteispitzen unter vier Augen zu treffen und mit ihnen über die politische Zukunft Österreichs zu sprechen.

Rausgekommen ist kein Regierungsantrag, sondern die Bitte an die Parteispitzen von FPÖ, ÖVP und SPÖ sich zu treffen, und sich auszutauschen, inwiefern eine Zusammenarbeit möglich ist. Van der Bellen begründet diese neue Entscheidung damit, durch eine aktuelle „Pattsituation“. Die FPÖ besteht darauf, dass es nur eine Regierungsbildung mit der FPÖ mit Herbert Kickl als Bundeskanzler gibt, die ÖVP will nicht mit einer FPÖ unter der Leitung von Kickl regieren und die anderen Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ kategorisch aus.

So ein Herangehen gab es in Österreich in Zeiten der zweiten Republik noch nie. Üblicherweise erteilt der Bundespräsident zeitnah nach der Nationalratswahl einen Regierungsbildungsautrag an die stimmenstärkste Partei. Diese Partei setzt sich dann mit den anderen Mitstreitern zusammen und schauen, wo Koalitionen möglich sind. Aber darf der Bundespräsident einfach keinen Regierungsauftrag erteilen? Wäre es undemokratisch, wenn er das nicht macht? Und darf er die Parteispitzen zu einem Austausch zwingen?

Was für Gesetze gibt es?

Die Vorgaben des Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) sind sehr locker. Der*die Bundespräsidenten ist mit der Aufgabe betraut einen Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin anzugeloben sowie die Bundesminister*innen, welche der*die Bundeskanzlers dem*r Bundespräsident*in vorschlägt (Art. 70).

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Alexander Van der Bellen (ehem. Grüne)

Bundespräsident

Die Mitglieder der Bundesregierung müssen dabei zum Nationalrat wählbar sein, aber müssen diesem nicht angehören. Der Bundespräsident könnten insofern ohne Probleme eine Regierung angeloben bestehend aus Personen, die keiner der Parteien im Nationalrat angehören.

(Sehr wichtig: Bei der Nationalratswahl wählen wir keine neuen Regierungsmitglieder, sondern neue Abgeordnete im Nationalrat.)

Diese Regierung würde sich realistisch nicht lange halten, weil der Nationalrat mittels eines Misstrauensvotums die Regierungsmitglieder aus ihrem Amt entheben kann. Deshalb berücksichtig der*die Bundespräsident*in in der Praxis die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat.

(ein erfolgreiches Misstrauensvotum gab es bis jetzt in der Zeit der zweiten Republik nur ein einziges Mal und zwar 2019 nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos 2019, als die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung ihres Amtes enthoben wurde)

Und im Falle, dass der*die Bundespräsident*in immer wieder Regierungen angelobt, die dann immer wieder vom Nationalrat enthoben werden, könnte die Bundesversammlung (Nationalrat + Bundesrat) beschließen, dass der*die Bundespräsident*in aus dem Amt enthoben werden soll. Dieser Beschluss würde zu einer Volksbefragung führen. Wenn das Volk sich gegen eine Absetzung des*der Bundespräsidenten entscheidet, würde das die automatische Auflösung des Nationalrats bedeuten und es gäbe Neuwahlen (Art. 60).

Diesen Kreislauf gab es in Österreich noch nicht, und wird auch wahrscheinlich nicht passieren.

Und der Regierungsbildungsauftrag? Dieser ist gelebte politische Praxis/Tradition und ist rechtlich nirgends verankert. Dasselbe gilt auch für Sondierungsgespräche. Das demokratische Ziel bleibt eine möglichst stabile Regierung aufstellen zu können, und dadurch haben sich diese Handlungsweise gebildet.

Wenn nun eine Partei davon spricht, dass es undemokratisch ist, dass sie als stimmenstärkste Partei nicht den Regierungsbildungsauftrag bekommt, dann kann man über die Einhaltung der bisherigen Praxis sprechen, aber nicht darum, ob es zulässig ist. Der Bundespräsident Van der Bellen ist in seiner Entscheidung, wer in die Regierung kommt, Alleinträger.

Warum hat der Bundespräsident diese Rolle

Die derzeitige Situation geht auf die Ereignisse in den 1920er zurück, als das Amt des*r Bundespräsident*in im Zuge einer Verfassungsreform 1929 eingeführt wurde.

Die Änderungen beim Amt des Staatsoberhaupt:

  • Das Staatsoberhaupt wird nicht mehr von der Bundesversammlung, sondern vom Volk direkt gewählt.
  • Das Staatsoberhaupt besitzt den Oberbefehl über das Bundesher
  • Das Staatsoberhaupt kann den Nationalrat einberufen und auflösen sowie die Regierung ernennen und entlassen.

Die Regierungsbildung 1999/2000

Nach der Nationalratswahl 1999 erteilte der damalige Bundespräsident Klestil SPÖ-Chef Klima den Regierungsbildungsauftrag. Nach langen Verhandlungen mit der ÖVP scheiterten letztendlich die Koalitionsverhandlungen. Die ÖVP schloss sich daraufhin mit der FPÖ kurz und die beiden Parteien arbeiteten ohne Regierungsauftrag eine Koalitionsvereinbarung aus.

Es war das erste und bis jetzt einzige Mal in der zweiten Republik, dass die stimmenstärkste Partei nicht in die Regierung gekommen ist.

Angelobung der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung 2000 (ohne Regierungsbildungsauftrag)

Und nun?

Österreich braucht irgendwann eine neue Regierung mit oder ohne Regierungsbildungsauftrag. Die Koalitionsverhandlungen werden wahrscheinlich mühsam. Die SPÖ kündigte schon vor der Wahl an, dass sie nicht mit der FPÖ koalieren wird, und die ÖVP hält bis jetzt daran fest, dass sie nicht mit einer FPÖ unter Kickls Führung koalieren werden. Eine ÖVP-SPÖ-Koaltion würde sich theoretisch ausgehen. Gemeinsam hätten sie exakt 82 von 193 Sitze im Nationalrat. Eine Mehrheit, wo bei Abstimmungen keine Person fehlen darf oder auch niemand das politische Lager wechseln darf, weil man sonst keine Mehrheit mehr stellen könnte. Am Ende liegt es bei den Parteien, wie sie sich arrangieren wollen und wo sie zurückstecken können für etwaige Bündnisse.

Eine Koalition aus drei Parteien wäre eine Möglichkeit, aber auch ein Novum für Österreich.

Quellenverzeichnis