Tag der Arbeit, 1. Mai // floomagazin

Lohnt sich der Kampf um die Arbeitszeit?

Auch in diesem Jahr rufen die Gewerkschaften wieder zu politischen Kundgebungen zum internationalen Tag der Arbeit auf. Das Motto in diesem Jahr lautet passend zur aktuellen Arbeitszeit-Debatte: “Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit”.

Chicago, 1. Mai 1886

Am Haymarket, im Zentrum Chicagos, herrscht ein dichtes Gedränge. Über 90.000 Menschen sind hier über die letzten Tage zusammengekommen, um höhere Entlohnung und kürzere Arbeitszeiten zu fordern. Die Polizei versucht die Demonstration mit Schüssen in die Menge aufzulösen, aber erst die Explosion einer Bombe beendet nach vier Tagen den Aufstand.

Die Proteste in Chicago starteten mit einer Arbeiterversammlung am 1. Mai 1886. Anlass war die Entlassung von Fabrikarbeitern, nach dem diese höhere Löhne forderten. Mit dieser Forderung waren sie nicht allein: Zur selben Zeit gingen Arbeiter auch in anderen nordamerikanischen Städten auf die Straßen. Die Eskalation der sogenannten „Haymarket Riots“ und anschließende Hinrichtung prominenter Vertreter der lokalen Arbeiterbewegung sorgten allerdings weltweit für Aufsehen. Darauffolgende internationale Demonstrationen der Arbeiterbewegung in Gedenken an die Opfer setzten dabei einen wichtigen Grundstein auf dem Weg zur gesetzlichen Verankerung des 8-Stunden-Arbeitstages.

Österreich, heute

In Österreich ist der 1. Mai seit 1919 ein offizieller Feiertag und bietet alljährlich die Möglichkeit, sich für die eigenen Arbeitsbedingungen stark zu machen. Genug Stoff für politische Kundgebungen am Tag der Arbeit lieferte jedenfalls eine heiße Debatte um die Regelarbeitszeit in der vergangenen Woche. In einer Veranstaltung zur nationalen Wirtschaftsentwicklung sprach sich die Industriellenvereinigung für eine Ausdehnung der Arbeitszeiten aus. 41-Stunden sollen die Österreicher*innen ihrer Meinung nach pro Woche arbeiten – ohne Lohnanpassung. Die Idee dahinter ist das heimische Wirtschaftswachstum anzukurbeln und aus der derzeitigen Rezession, also dem wirtschaftlichen Abschwung, herauszufinden.

Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer findet eine Viertelstunde pro Tag mehr Arbeitszeit zu zumutbar. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl widerspricht dem vehement und sieht bereits eine geringfügige Ausweitung des 8-Stunden-Tages als den falschen Weg an. Sie empfindet den Vorschlag, die Arbeitszeit bei gleichem Gehalt zu verlängern zudem als respektlos.

Bundeskanzler Nehammer stellte bereits klar, dass eine Verlängerung der Arbeitszeiten für ihn nicht in Frage kommt, ebenso wenig wie eine Verkürzung. Genau diese wünschen sich allerdings immer mehr Personen am Arbeitsmarkt. Gerade Junge sind bereit für die 32-Stunden-Woche. Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nennt eine solche Arbeitszeitverkürzung mit gleichzeitig vollem Lohnausgleich eine „Träumerei“, die nicht umsetzbar ist.

Auch 1886 wurde ein wirtschaftlicher Einbruch bei der Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden vorausgesagt. Doch das ist nicht die einzige Parallele zur damaligen Arbeiterbewegung: Die drückende Wirtschaftskrise sowie der daraus entstandene Wunsch junger Menschen nach Veränderung und einer neuen Lebensrealität. Zunehmende technologische Entwicklung verspricht seit jeher eine Entlastung von Arbeitenden, doch eine Verringerung der Arbeitszeit ist immer noch Streitthema. Pilotstudien in Großbritannien und Island zu kürzere Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zeigen laut NGO „4 Day Week Global“ eine Steigerung der Produktivität bei gleichzeitig höherer Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen. Im deutschsprachigen Raum testet die NGO das Arbeitszeitmodell derzeit in deutschen Unternehmen, die es mit ihrer Belegschaft ausprobieren sollen.

Die AK-Präsidentin hält das auch hierzulande für ein zukunftsträchtiges Model: „Kluge Betriebe haben das schon verstanden und die Wochenarbeitszeit gesenkt, 4-Tage-Woche eingeführt oder die 6. Urlaubswoche bereits nach einem Jahr – und sie florieren. Das würde auch dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu senken. Das ist der Weg, den wir gehen müssen, das nutzt den Beschäftigten und den Betrieben.“

Quellenverzeichnis – Lohnt sich der Kampf um die Arbeitszeit?