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 „Warum gehst du nicht zum Psychologen?“ – Stigmatisierung psychischer Krankheiten

Die Blätter verfärben sich, draußen wird es immer ungemütlicher. Die kalte Jahreszeit bricht an und mit ihr die jährlichen Erkältungswellen. Während sich die Wartezimmer bei Ärzt*innen füllen, bleiben psychische Erkrankungen oft unbehandelt. Wieso ist das so?

Obwohl rund jede/r zweite Österreicher*in schon psychisch erkrankte, scheint die Hemmschwelle, sich seiner mentalen Probleme zu stellen, enorm. Schuld daran ist vor allem die Stigmatisierung um jene psychischen Krankheiten. Der Begriff Stigmatisierung leitet sich von dem altgriechischen Wort Stigma, das so viel wie Stich oder Wundmal bedeutet, ab. So stellt Stigmatisierung die negative Bewertung von Einzelpersonen oder einer Gruppe aufgrund von negativ konnotierter Eigenschaften dar. Gerade in Zeiten einer sich allzeit optimierenden Gesellschaft ist das Schwächeln der Seele unerwünscht, gar verpönt. Die Herabsetzung psychisch Erkrankter zieht jedoch gravierende Folgen mit sich.

Betroffene einer mentalen Krankheit begegnen zahlreichen Vorurteilen. So seine sie „verrückt“, „bilden sich das Ganze doch nur ein“ oder seien „nicht belastbar genug“. Jene Annahmen führen teilweise zum Verlust des Arbeitsplatzes oder des sozialen Umfelds. Dies wiederum stellt einen gewissen Teufelskreis dar, da Besserung vor allem mit einem starken sozialen Rückhalt und einer finanziellen sicheren Lage (z.B. zur Finanzierung von Therapiestunden) einher geht. Weiters tritt bei psychisch Erkrankten oft das Phänomen des Selbststigmas auf. Hierbei richtet sich der oder die Betroffene gegen sich und nimmt sich als schwach und wenig wert dar. All dies vereint führt dazu, dass mentale Krankheiten, wenn überhaupt, später diagnostiziert und somit behandelt werden. Der Heilungsweg ist also weitaus erschwert. Dabei sind psychische Erkrankungen oft gut heilbar!

Was also kann gegen die Stigmatisierung und für Betroffene getan werden? Dies kann man aus zweierlei Hinsicht betrachtet. Zum einen muss institutionell und politisch Aufmerksamkeit und Aufklärungsarbeit generiert werden. So sind journalistische Texte wie dieser, ein Versuch zur Lösung des Problems beizutragen. Weiters stellt beispielsweise das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit der „Kompetenzgruppe Entstigmatisierung“ in Form von Empfehlungskatalogen Wege dar, mit Stigmatisierung gesamtgesellschaftlich umzugehen. Andererseits kann individuell offen damit umgegangen werden.

Indem Sie selbst zu ihrer vermeintlichen Schwäche stehen und anerkennen, dass sie professionelle Hilfe benötigen, zeigen Sie mentale Stärke und sind Vorbild für ihre Mitmenschen. Fast jeder Mensch befindet sich in seinem Leben einmal in einer psychischen Notlage. Es gilt also nicht, das Unvermeidbare zu vermeiden, sondern im Falle dessen richtig zu reagieren, um eine Heilung bzw. Besserung des mentalen Gesundheitszustands zu gewährleisten.

Wie bei jedem Tabu muss es Mutige geben, die es wagen, über das zu sprechen, was angeblich „nur die anderen betrifft“, statistisch gesehen jedoch fast jeder Menschen zumindest einmal durchlebt. Werte Leser*innen, erlauben Sie mir, hier auf das persönliche „Du“ zu wechseln. Statistisch gesehen sieht es nicht gut für dich aus… Du wirst in deinem Leben wahrscheinlich zumindest einmal mental erkranken. Oder bist es schon? Und wenn es nicht dich betrifft, dann deine Mutter, deinen Partner oder besten Freund. Psychische Krankheiten sind real. Die Stigmatisierung psychisch Kranker ist real. Also bitte liebe/r Leser*in, wenn du eine Erkältung hast, gehst du doch auch zum Arzt. Also warum gehst du nicht zum Psychologen, wenn deine Psyche leidet?

Geschrieben von Tatjana Steinmetz.

Wenn dir der Artikel „Warum gehst du nicht zum Psychologen?“ gefallen hat, dann teile ihn gerne mit deinen Freunden. Dieser Artikel entstand 2023 im Rahmen eines Fachtutoriums an der Uni-Wien.

Quellenverzeichnis –  Warum gehst du nicht zum Psychologen?