Pride 1996: Wie war die ERSTE Vienna Pride WIRKLICH? – Interview mit Gründer Andreas Brunner

Anlässlich der 29. Vienna Pride Parade haben wir uns mit dem Gründer der Vienna Pride Andreas Brunner getroffen und mit ihm über die Geschichte vom queer sein gesprochen.

Andreas ist Leiter von Qwien – Zentrum für queere Kultur und Geschichte und er hat 1996 die Vienna Pride Parade ins Leben gerufen.

Danke an Qwien und Andreas für das tolle Interview! Qwien findest du hier:
Instagram: @qwien.zentrum
Homepage: www.qwien.at

Podcast vom Interview mit Andreas

Hier gibt’s die ganze Folge als Podcast auf Spotify, Apple & Co. Hör doch rein.

Transcript des Gesprächs

Toni

Hallo, Ich bin die Toni. Es ist Juli und Juli ist Pride Month. Juni ist Pride Month. Wir sind im Juni. Wir haben Anfang Juni und Juni ist Pride Month. Und wir wollten einen Beitrag über den Pride Month machen und mit wem anderen als dem Macher von ersten Wiener Pride. Andreas (Brunner), Freut mich, dass wir heute hier sind.

Andreas

Ja, Danke, dass ihr hierher gekommen seid. Zu Qwien meiner neuen Arbeitsstelle. Was wollt ihr wissen?

Toni

Ja, Erzähl uns mal, in welchen heiligen Hallen wir eigentlich hier sitzen.

Andreas

Wir sind hier im Qwien, dem Zentrum für queere Kultur und Geschichte. Wir sind ursprünglich ein Archiv und eine Forschungsstelle für die LGTBIQ-Geschichte von Wien und Österreich gewesen, haben viel zum Thema Nationalsozialismus, Verfolgung im Nationalsozialismus und ähnliche Fragen geforscht und publiziert. Und jetzt – seit vorgestern sind wir auch ein queeres Kultur Zentrum. Aktuell gibt es ja die Ausstellung Geschichte machen zu sehen. Eine wie wir finden sehr fröhliche, witzige Ausstellung. Auch über 1000 Jahre queere Geschichte in 27 unglaublichen Objekten.

Toni

Schön. Ja, das fehlt meistens ein bisschen, dieses Positive der queeren Geschichte, weil es wird natürlich viel über die Diskriminierung und über die dunklen Aspekte der Geschichte geredet. Aber es ist besonders schön, wenn einfach die schönen Sachen in den Fokus gerückt werden. Und um einen Übergang zu machen zu einer weiteren schöne Sache, die wir einmal im Jahr feiern. Ich nenne sie manchmal so das queere Weihnachten, weil die Regenbogenparade in Wien ist schon etwas, was so außergewöhnlich ist und worauf man sich so hin freut, dass das wie Weihnachten ist. Und ich wollte fragen Wie ist es eigentlich dazu gekommen? Zuerst geplant in Wien war das damals schon so, wie ich es heute sehe, als die wildeste Party dieses Jahr überhaupt zu bieten, die Wien so zu bieten hat.

Andreas

Na ja, ganz so war es 1996 nicht. Aber es war doch eine ziemlich andere Zeit. Es gab noch drei Strafrechtsparagraphen, die homosexuelle Menschen verfolgt haben. Es gab ein unterschiedliches Mindestalter für schwule Männer. Mit 18 Jahren dann gab es den Werbeparagrafen, das, was jetzt in autoritären Staaten wie Ungarn, Russland wieder ausgegraben wird, das sozusagen die positive Darstellung von Homosexualität geahndet, verfolgt werden kann. Es gab ein Versammlungsverbot, also da gab es schon noch andere gesellschaftliche Voraussetzungen und wir waren auch noch irgendwie mitten in der Aidskrise. Die Kombinationstherapie wurde erst 1996 am Aids-Kongress in Vancouver vorgestellt und da waren noch doch sehr andere, sehr andere Grundlagen als heute. Von Ehe für alle hat damals nicht mal wer zu träumen gewagt. Aber nichtsdestotrotz Es war eine große Aufbruchsstimmung in den 1990 er Jahren.

Toni

Und mit diesem Nährboden, der eigentlich wirklich nicht dafür sprechen würde, dass man so etwas auf die Beine stellen konnte. Haben Sie die erste Parade gemacht? Wann war das noch einmal?

Andreas

1996 war die erste Regenbogenparade.

Toni

Siehst du, wenn du jetzt über die Zeit, weil 2025, wenn ich richtig rechnen kann, 30 Jahre. Also nächstes Jahr feiern wir 30 Jahre Parade, darf sich einiges verändert oder?

Andreas

Ja, da haben sich natürlich die gesellschaftlichen Bedingungen geändert. Es gibt jetzt auch wenn es nicht perfekt ist, im Arbeitsrecht, Antidiskriminierungsmaßnahmen. Es gibt eben die Möglichkeit, eine Ehe, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Es gibt die Möglichkeit einer dritten Geschlechtsoption. Das war 96 so nicht absehbar und war zwar im Forderungskatalog, dass sich das jetzt auch in einer relativ kurzen Zeit so entwickelt, ist erfreulich.

Toni

Man denkt dann oft, es wird immer besser, auch wenn es manchmal düster wird. Aber es wird tatsächlich immer besser. Und weil die Zeiten sich verändert haben, hat sich die Pride natürlich auch verändert. Gehst für jedes Jahr noch immer auf die Pride?

Andreas

Ich war auf jeder dabei.

Toni

Was am Anfang natürlich Hauptorganisator, hat sich das über die Jahre dann verändert.

Andreas

Ich habe drei Jahre bin ich da sozusagen als Hauptorganisator vorangegangen und habe das gecheckt. Aber wir waren immer ein Team und es war immer ein mehr oder minder großes Team, das natürlich mit mit der Größe der Parade, die jedes Jahr gewachsen ist, ja größer geworden ist. Waren bei der ersten Pride, bei der ersten Regenbogenparade circa 25.000 Leute was für uns ein Riesen Erfolg war. Weil viele dagegen gewettet haben. Da werden keine 5000 kommen und ihr werdet alle am Ring stehen. Schauts euch an, die Wiener kommen zu dem nicht. Also da gab es schon. Auch innerhalb der Community gab es sehr sehr sehr sehr kritische Stimmen, dass wir da nichts.

Toni

War, das auch mit den Wegen die wir heute sehen auf der Pride?

Andreas

Ja, das war immer so geplant. Also die Idee, die habe ich es bzw wir dann auch aus den USA mitgebracht. Ich war 94 bei Stonewall 25 – für 25 Jahre Parade der Jubiläums Parade, die an die Stonewall Riots 1969 erinnert hat Die Stonewall Riots, der Ausgangspunkt dieser dieser Bewegung. Da wurde die Bar Stonewall in in der Christopher Street in New York von von einer Polizeirazzia wieder mal bedrängt. Und an jenem Tag, Ende Juni 1969, haben sich die dort versammelten Schwulen, Lesben, Trans Leute gegen diese Polizeigewalt gewehrt und in der Folge der Polizei so drei, drei Tage lang auch Straßenschlachten geliefert, Widerstand gezeigt. Und das war so eine Initialzündung. Und im Jahr darauf ist eben in New York und ich glaube, auch wenn ich mich recht erinnere, schon in San Francisco die erste Christopher Street Day Parade, also CSD, abgehalten worden. Und das ist dann Ende 1970, in den frühen 1980 er Jahren auch so auf Europa übergesprungen. Dann kamen hier auch immer mehr Paraden, immer mehr Demonstrationszüge, die über den reinen Demonstrationscharakter hinausgegangen sind. Denn das hat sich das sich. Als ich dann in den 90er Jahren, im Jahr darauf 95, bei einer regulären Parade dabei war, die nur die Fifth Avenue runtergezogen ist, auch da war es diese Mischung aus Fußgruppen, politischen Gruppen und Partywägen. Und diese Idee war für uns sozusagen das zentrale Moment. Denn Demonstrationen gab es davor in Wien auch schon. Es gab auch schon zu Pride Veranstaltungen kleinere, aber uns war es wichtig, Sichtbarkeit Öffentlichkeit zu erzeugen. Und da hatten wir damals schon das Gefühl, wenn da jetzt wieder einfach nur mit Transparenten über die Ringstraße marschieren, dann passiert das nicht. Wir müssen das auch in einen gewissen Event einbinden. Und deshalb hieß ja die erste Regenbogenparade im Untertitel erster Les, Bi, Schwule und Transgender Festzug Österreichs.

Toni

Schöner Name.

Andreas

Und dieser Festzug. Das war uns ganz, ganz wichtig, dass wir einerseits für unsere Rechte demonstrieren, aber auch uns und unsere Sichtbarkeit feiern.

Toni

Das ist so interessant, weil zurückzugehen, auf dass die erste der ersten CSD die erste Pride eine Riot war und dann mit deinem Impuls von das jetzt schon im Zentrum auch die Schöne die Festivität dahinter setzen wollt. Es gibt ja jetzt neue Strömungen, besonders in jüngeren Queer Bubbles, wo es darum geht, dass man sagt, man will Pride reclaimen weil man die Pride, wie sie jetzt ist, zu weit vom originalen amerikanischen Gedanken entfernt sieht. Und besonders auch ein Kritikpunkt einfach diese großen Korporationen, die sich dann einmal im Jahr eine Regenbogenflagge irgendwo draufpacken und dann mit rennen und dann sich denken, sie haben genug geleistet. Wie findest du diese neuen Strömungen, die ja eigentlich lustigerweise kritisieren, dass das nicht dann nicht nur eine Party sein sollte? Wobei du als Veranstalter als erste Veranstalter Party in den Mittelpunkt stellen wolltest. Also diese Dissonanz zwischen was der eigentliche Gedanke war und was jetzt die Kritik an der Veranstaltung ist. Wie siehst du das?

Andreas

Wir waren damals der Meinung, ich glaube, wir sind gar nicht so falsch gelegen, dass wir auch so sind mit der Party. Viel mehr transportieren können. Die Party war sozusagen die die Fläche, auf die wir unsere, unsere, unsere Forderungen gepostet haben. Mit dieser Party, mit den vielen Leuten, die auch gekommen sind, konnten wir natürlich unseren Forderungen viel mehr Nachdruck verleihen. Das ist was anderes, auch jetzt in der politischen Wahrnehmung. Ob jetzt 500, 50.000 oder 500.000 zu einer solchen Demonstration, das ist ja bis heute eine Demonstration kommen. Und ja, ich verstehe die Kritik und sehe das durchaus auch in vielen Fällen kritisch. Das natürlich von Rainbow Capitalism dieser Event sozusagen zum Teil vereinnahmt wird, dagegen soll man auch auftreten, das muss man auch kritisch sehen. Aber ich stelle trotzdem nicht den den Grundcharakter der Party deswegen in Frage. Das finde ich nach wie vor ist es für mich so ein zentraler Moment, weil einerseits die die unterschiedlichen Forderungen von Gruppen sehr divers sind und die sich sich nicht immer alle unter einen Regenschirm zusammenfassen lassen, auch wenn man es gerne so sehen möchte. Es war für uns immer und ist eine unabdingbare Forderung, dass diese Parade auf der Ringstraße stattfindet. Die Stadt Wien hält uns gerne auf Der Prater Haupthalle oder waas da Teufel was gesehen oder wir können ja über die Brücke auf die Donauinsel vor und feiern. Das ist überhaupt die Frage. Ja, wir bleiben und da steht.

Toni

Wir wollen genau dort sein, ja.

Andreas

Bleiben, weil auch die Ringstraße ist sozusagen die bekannteste Straße Österreichs. Das ist der Prunk und Prachtboulevard sozusagen der Repräsentationsboulevard einst der Monarchie und auch heute der Republik. Alle zentralen Gebäude dieser Republik Österreich stehen an der Ringstraße, das Parlament, das Rathaus, das Burgtheater, die Staatsoper, die Universität all das ist sozusagen auf dieser Straße vereint. Und sich einmal im Jahr diese Straße zu nehmen und zu sagen Sie gehört uns und wir machen dort verdammt noch mal, was wir wollen. Und wenn das Party ist, ist es auch super. Also ich, ja, ich. Ich höre diese Kritik, die hat schon ganz am Anfang gegeben. Ja, das sind ja irgendwie nur irgendwie halbnackte Jungs, die mit dem Hintern wackeln oder aufgetackelte Drag Queens oder weiß der Teufel was. Ja, oder halt irgendwelche Leder männer, die da martialisch über den Ring watscheln. Na, das… Ja, das sind wir. Ja, das ist sozusagen die Diversität, unsere Community von politisch sozusagen linken Radikalen bis zu hedonistischen Schwulen. Ja, das sind wir. Und das sollte sich sozusagen an diesem einen Tag auf der Ringstraße auch verbinden lassen.

Toni

Es ist ja besonders interessant, dass die Diversität in der Community, wie du schon sagtest, es stellen sich es passt nicht alles unter einen Schirm. Es gibt genauso viele queere Bewegungen, wie es Menschen gibt. In Wahrheit also jeder. Man ist nicht gleich, weil man einfach auch so den intersektionalen Aspekt von Klasse und Race reinbringen kann. Das Erlebnis, schwul zu sein, queer zu sein, was es sich zu sein ganz auch gebunden ist an deinen anderen menschlichen Erlebnissen. Und dann verstehe ich auch das einfach die Auslebung von Pride, von Freude von Riots auch nicht gleich ausschauen kann, weil die Probleme sind nicht gleich. Und besonders wenn man jetzt das Thema Trans dann mit reinbringt, dass in letzter Zeit halt extrem politisiert wurde und wo die Rechte von Transmenschen extrem unterdrückt wurden, jetzt besonders auch mit den politischen Situation in Amerika oder was passiert, das in England passiert, dass die Pride auch ein ganz anderes Momentum wieder beginnt zu haben. Und da, wäre man die nächste Frage Wo siehst du die Pride zukünftig in zehn Jahren zum Beispiel kannst du dir vorstellen, wie das Ob sich das verändern wird, ob das jemals anders sein wird?

Andreas

Na ja, es ist ja irgendwie jede Pride auch auch einzigartig, weil sie ja auch nicht im luftleeren Raum stattfindet, auch nicht im luftleeren politischen Raum. Wir hatten in den letzten Jahren oder im letzten Jahrzehnt der eine eine sehr. Wir hatten das Gefühl, dass es das ist, dass die liberale Gesellschaft auf dem richtigen Weg ist. Heute, und das ist jetzt auch ein Gefühl, das sich bei mir nach 30 Jahren Aktionismus ich bin seit den späten 1980 er Jahren in der queeren Community aktiv in verschiedenen Zusammenhängen. Und wir hatten immer das Gefühl, es geht bergauf, es geht weiter und im Moment ist auch für mich sozusagen, denke ich mir immer so super schaut’s im Moment nicht aus, Ich brauche nur nach Ungarn schauen, in die Slowakei. Auch in anderen Staaten Europas, Italien, wo es Rückschritte gibt, jetzt England mit den Trans rechten, Russland, Amerika. Also wo ich, wo ich hingehe, beginnen sozusagen die die Errungenschaften, die wir uns erkämpft haben, in Jahrzehnten zu bröckeln. Und das ist jetzt sozusagen auch sozusagen Aufruf und Pflicht hier dagegen zu arbeiten. Und ich denke, dass die Pride dazu auch ein guter Anlass, ein gutes, ein gutes Mittel sein kann, weil auch dieses fröhliche Feiern ja viele Leute mitreißt. Viele Leute, die vielleicht skeptisch sind, die in ihrem alltäglichen Umgang wenig jetzt mit queeren Personen konfrontiert sind, aber diese, diese unbändige Feierlaune und ihre Lust hat auch was ansteckendes. Und es gibt sehr, sehr viele positive Vibes. Weiter. Und das denke ich mir, ist ein Momentum, das wir nicht vergessen sollten. Also eine Demonstration – Riot – ja im Sinn von Aufstand. Von Protest ist die eine Seite. Aber die Leute auch wo abholen und mitnehmen ist die andere. Und ich glaube, das sozusagen die Leute mit einem Fest eher abholt als mit Protest.

Toni

Dort, wo es keine Berührungspunkte gibt, entstehen Berührungsängste. Auf jeden Fall.

Andreas

Ja, und ich glaube das und die, dass man die schon auch überwinden kann.

Toni

Genau mit solchen Veranstaltungen.

Andreas

Ist doch immer wieder, wenn man so ein bisschen am Rande der Pride mitgeht, ja und dann, ja dann manche machen das zum Picknick, die kommen einfach hin mit ihrer Familie haben eine Decke mit und setzen sich am Rand der Ringstraße hin und genießen das, feiern das. Das ist wie Faschingsumzug. Wunderbar! Ist ja auch so bunt, viel bunter als jeder Faschingsumzug.

Toni

Das stimmt, dass stimmt. Aufregender viel kreativer. Wie bekommt man die Menschen, die auf der Seite sitzen, vielleicht ein bisschen mitgehen, Hingehen zum Feiern, wie stellt man sicher, dass diese Menschen, wenn es hart auf hart kommt, auch ernster werden und bei Riots mitgehen?

Andreas

Man kann sozusagen nur Menschen, wenn sie eine Masse sind, Betroffenheit haben, glaube ich, zu tatsächlichen Protest motivieren.

Toni

Betroffenheit?

Andreas

Na ja, indem das sie selbst Erfahrungen gemacht haben, dass Sie queere Menschen in Ihrem Freundeskreis haben. Als Arbeitskolleginnen haben. Ich glaube, das ist, das war auch das das Motto der ersten Parade, was sichtbar 96. Es ging um die Sichtbarkeit und ich halte die Sichtbarkeit nach wie vor für einen der zentralen Schlüssel. Denn wenn wir in unserem unmittelbaren Lebensumfeld, wenn wir es da schaffen, das ist nicht immer leicht und wir wissen das alle, als dass das sozusagen queer zu sein, ein lebenslang, ein lebenslanger auch Coming Out Prozess ist, dem man sich immer wieder in neuen Situationen stellen muss. Aber wenn, wenn wir es schaffen, sozusagen uns ganz selbstverständlich ins Leben einzubringen in unserem familiären Umfeld, in unserem beruflichen Umfeld, in unserem alltäglichen Zusammensein mit anderen, dass dadurch dieses Fremdheitsgefühl ja weniger, weniger wird. Und es wurde ja auch weniger. Das zeigen ja auch Statistiken. Es ist ja nicht so, dass das die Mehrheit der Bevölkerung gegen uns wäre. Es ist so, dass es bestimmte politische Gruppierungen gibt und das und das ist ein relativ neues Phänomen. Als wir vor vor 30 Jahren die Regenbogenparade gegründet haben, nicht hatten, nämlich die sozialen Medien und deren Algorithmen, die Hass triggern und das sehe ich eigentlich ist das ganz, ganz große Problem. Wir alle haben uns inzwischen angewöhnt, mit unseren Social Networks zu arbeiten. Auch wir bei Qwien machen Werbung für unsere Veranstaltungen und alles über Social Media. Aber was wir sozusagen noch, glaube ich, viel zu wenig beachten, ist das gefährliche Potenzial, das diese Medien mit sich bringen.

Toni

Ja, da gebe ich dir absolut recht. Ich finde besonders interessant, dass dieser Hass, von dem du geredet hast, ich glaube nicht, dass die Leute oder die Politiker oder wer auch immer dann die Daten dem Algorithmus füttert, die dann an die Leute kommen. Ich glaube nicht wirklich, dass die Leute queere Leute hassen. Ich glaube, dass queere Menschen und die, dass queere Bodies so gut instrumentalisiert werden können. Also man kann in Wahrheit so viel Hass schüren und so viel Stimmung machen gegen eine Gruppe. Und da ist es egal, ob das jetzt die queere Gruppe ist oder nicht. Ich glaube, das ist austauschbar. Ich glaube, es geht gar nicht um uns. Ich glaube, es geht um den Hass in Wahrheit.

Andreas

Wir kennen das ja von Untersuchungen über den Antisemitismus. Antisemitismus gibt es am meisten dort, wo es keine Juden und Jüdinnen gibt. Und ähnlich ist es auch mit Queerfeindlichkeit. Und das meinte ich auch vorhin mit diesem uns einbringen, ins alltägliche Leben sichtbar zu sein, weil wenn diese Sichtbarkeit, die Angst vor dem Anderen, vor dem Fremden auch nimmt. Denn auch die Queer Feindlichkeit ist dort am meisten verbreitet, wo es kaum queere Leute gibt.

Toni

Das ist halt dieses große Fragezeichen, dieses große Nichts, wo man keinen Bezug hat, kein Gesicht hat und dann nur die Meinung hat, die einem schon vorgefiltert wurde…

Andreas

Oder die man dann halt aus irgendwelchen elektronischen Medien ungefiltert übernimmt. Aber wenn ich heute als sozusagen Lesbe, Schwuler, Transperson in Fleisch und Blut daneben sitze, dann ist das eine ganz andere Überwindung für viele. Und da kommen so viele andere menschliche Aspekte und kommunikative Aspekte dazu, dass auch der Hass schwerer wird. Ja, vielleicht sehen wir, dass die Parole ist uns den Hass erschweren.

Toni

Das ist schön. Ja.

Andreas

Das wir ihn abschaffen können das, das ist eine Utopie, an die ich nicht glaube, aber sozusagen in schwerer machen, ihn auch sozusagen den Leuten – es ihnen nicht so einfach zu machen. Mit zwei Klicks. Aber das ist in den sozialen Medien so, dass zwei Klicks reichen.

Toni

Oder halt doch nicht. Hast du noch abschließend etwas zu sagen für vielleicht die junge queere Community, besonders im Angesicht, dass du einfach dein Leben lang schon für queere Existenz kämpfst, Visibility schaffst? Hast du etwas mitzugeben für junge, queere Menschen?

Andreas

Ja, einerseits. Lass euch nicht einschüchtern. Ihr habt das Recht, so zu sein, wie ihr seid. Auch wenn ihr damit aneckt. Das haben wir früher auch. Das war genauso. Es waren nur andere Umstände, andere Zusammenhänge. Aber natürlich war es 96 auch so, das nicht das nicht alle erfreut waren, dass wir uns jetzt die Ringstraße nehmen als Demonstrationszug. Aber auch was ich als ganz ganz wichtig erachte ist, dass es dann doch auch sozusagen sichere Räume gibt, dass wir uns als ganz unterschiedliche Communities eben auch Räume schaffen müssen, in die wir uns zurückziehen können. Wenn sozusagen. Die die Einflüsse von außen auch fürs Eigene, für den eigenen Selbstwert gefährlich werden. Man soll niemanden dazu zwingen oder auch überreden, ja jetzt unbedingt Coming Out, unbedingt rauszugehen. Weil jede Person muss das selber einschätzen können. In welchem Umfeld fühle ich mich sicher? Aber wenn man diese Sicherheit erreicht hat, sollte man sie nutzen.


Toni

Danke für deine schönen Worte zum Abschluss. Ich freue mich auf jeden Fall mehr von Dir und von Qwien zu sehen. Und ja, danke für dieses Gespräch.


Andreas

Ja, ich kann nur alle einladen, hier bei Qien vorbeizukommen. Entweder als forschende, um hier zu queerer Geschichte zu recherchieren. Wir bieten auch Praktika an, man kann ehrenamtlich hier mitarbeiten oder zu einer unserer Ausstellungen oder Veranstaltungen. Man findet uns entweder auf unserer eigenen Webseite www.qwien.at oder eben auch in den sozialen Medien, die ich alle so heftig kritisiert habe. Ja, wir freuen uns vor allem, wenn junge Leute vorbeikommen, denn die sind die Zukunft.