Jürgen Schneider, Klimaschutz, Klima & Energie // floomedia
Jürgen Schneider, Foto: BMLRT / Paul Gruber

10 Fragen an den “Klima & Energie“- Sektionschef Jürgen Schneider

"Wir haben es in der Hand zu bestimmen, ob unsere Zukunft lebenswert ist!" - Jürgen Schneider

Jürgen Schneider ist seit 2020 Sektionschef der Sektion 6 „Klima & Energie“ im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Wir haben ihm zehn Fragen rund um den Klimawandel und die österreichische Klimapolitik gestellt, die Schneider uns schriftlich beantwortete.

Einfluss von Corona auf das Thema Klimaschutz?

floo.fragt: Inwieweit hat die Corona-Pandemie das Thema Klimaschutz und Umstieg auf umweltfreundliche Ressourcen in den Hintergrund rücken lassen?

Jürgen Schneider: Die vergangenen beiden Jahre waren in Österreich, aber auch global, durch die Corona-Krise geprägt. Seit einem Monat dominiert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die öffentliche Wahrnehmung und viele Bürgerinnen und Bürger machen sich zu Recht Sorgen wegen dieser Ereignisse und deren Auswirkungen.

Das ändert aber nichts an der Dringlichkeit der Klimakrise. Diese schreitet unerbittlich fort, mit oder ohne mediale Aufmerksamkeit. Linderung bringen werden nur wirksame Maßnahmen im Klimaschutz – also eine rasche und vollständige Minderung der die Klimakrise verursachenden Treibhausgasemissionen – und zusätzlich Maßnahmen zur Anpassung an ein geändertes Klima. 

Österreich im EU-Vergleich

floo.fragt: Warum ist Österreich im EU-Vergleich eines der Schlusslichter, in Sachen Treibhausgasemissionsreduktion? 

Jürgen Schneider: Österreich hat seine Treibhausgasemissionen in den letzten 30 Jahren deutlich weniger vermindert als vergleichbare Staaten und weniger als der EU-Durchschnitt. Im Moment ist das wichtigste Ziel, wirksame Maßnahmen zu setzen unddurchzustarten. 

Klimaziele bis 2030/40

floo.fragt: Was wird aktuell getan, um die Klimaziele Österreichs bis 2030, beziehungsweise 2040 zu erreichen? 

Jürgen Schneider: Sehr viel. Um nur einige zu nennen: Mit dem Erneuerbaren-Ausbaugesetz haben wir eine Regelung geschaffen, um bis 2030 100 % unseres Stromverbrauchs bilanziell mit heimischer erneuerbarer Energie zu decken. 

Mit der ökosozialen Steuerreform machen wir klimafreundlicher Handeln und Wirtschaften deutlich attraktiver, und der regionale Klimabonus hilft, soziale Härten auszugleichen. Im Gebäudebereich gibt es so großzügige Förderungen wie noch nie zum Umstieg von fossiler Energie auf klimafreundliche Heizungssysteme (Stichwort Klimamilliarde).

 Im Bereich der Mobilität erhält die ÖBB sehr viel Geld für den Ausbau ihrer Infrastruktur, das Klimaticket ist eine Erfolgsgeschichte, um die uns ganz Europa beneidet. 

Dies alles macht uns noch dazu unabhängig von Importen von fossilen Energieträgern, also Erdgas, Erdölprodukten und Kohle. In normalen Jahren geben wir etwa 10 Milliarden EURO für den Import fossiler Energie aus, 2022 werden es auf Grund der hohen Preise wohl an die 20 Milliarden EURO sein.

Wir wollen, dass dieses Geld im Inland sinnvoll und nachhaltig investiert wird anstatt es nach Russland und an anderen Staaten zu überweisen. 

Zukünftige Projekte

floo.fragt: Welche zukünftigen Projekte, für ein klimafreundlichen Österreich sind innerhalb Ihrer Sektion „Klima und Energie“ zu erwarten? 

Jürgen Schneider: Die oben genannten Schritte sind wichtig, aber noch nicht ausreichend, unsere selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Wir arbeiten etwa auf EU-Ebene intensiv an neuen Regelungen, die es z.B. der Autoindustrie erlauben sollen, sich bis 2035 geordnet aus der Produktion von Autos mit Verbrennungskraftmaschinen zurückzuziehen.

In Österreich gehen wir nach wie vor viel zu verschwenderisch mit Energie um. Hier soll ein neues Energieeffizienzgesetz deutlich mehr Anreize bieten, Energie sinnvoll einzusparen.

Mit dem Erneuerbaren Wärmegesetz wollen wir das „Aus“ für Heizungssysteme auf Basis von Öl und Erdgas einläuten. Daneben gibt es viele weitere Projekte, die den Übergang zu einer klimafreundlichen, gerechten und nachhaltigen Gesellschaft steuern und begleiten.

Vergangene Fehler

floo.fragt: Was hätte man in der Vergangenheit anders machen sollen, um nicht derart in den Verzug zu geraten, was die geplante Reduktion von Treibhausgasen angeht? Anders gefragt: wurden Fehler gemacht? 

Jürgen Schneider: Fehler werden immer gemacht wo ernsthaft gearbeitet wird. Wichtig ist, aus diesen zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Wir haben zum Beispiel in der Vergangenheit nicht genug erklärt, warum Klimaschutz so wichtig ist und dass wir vor der Energiewende keine Angst haben müssen.

Darum arbeiten wir jetzt mit neuen Formaten wie dem Klimarat der Bürgerinnen und Bürger, wo wir ‚gewöhnliche‘ Menschen aller Altersstufen aktiv bei der Suche nach Lösungen einbeziehen. Andererseits sehen wir, dass es auch starke Beharrungskräfte gibt, Angst vor Veränderung gemacht wird. Hier gilt es mutig zu sein und sich nicht einschüchtern zu lassen.

Mögliche Emissionszertifikate

floo.fragt: Geht man im Umweltministerium von der Notwendigkeit aus, Emissionszertifikate für die Einhaltung der Klimaziele 2030 kaufen zu müssen? Der Rechnungshof rechnet schließlich mit Strafzahlungen von bis zu 9 Milliarden Euro, sollte der aktuelle Kurs nicht geändert werden. 

Jürgen Schneider: Wenn unsere Vorschläge rasch umgesetzt werden, sollte es sich ohne den Zukauf von Emissionszertifikaten ausgehen.

Dafür müssen aber alle mitspielen, also der Nationalrat (viele der relevanten Gesetze brauchen eine Zweidrittel-Mehrheit), auch Bundesländer, Gemeinden, Unternehmen und die Bevölkerung. 

10 Fragen an Jürgen Schneider, Sektionschef „Klima & Energie“
Emissionen // Quelle

Derzeitig steigende Energiepreise

floo.fragt: Wie beeinflussen die derzeit stark steigenden Energiepreise die Planung der Maßnahmen? 

Jürgen Schneider: Hier ist es wichtig festzuhalten, wodurch die Energiepreise so rasch angestiegen sind: Weil fossile Energie auf den Weltmärkten in kurzer Zeit viel teurer geworden ist. Da wir über 90 % dieser Energie importieren, sind wir im Moment relativ wehrlos.

Mittelfristig gibt es nur eine Antwort: Weg von fossiler Energie, hin zu erneuerbaren Energieformen. Diese sind nicht nur sicherer, sondern oft auch billiger als fossile Energie!

Steigende Gaspreise

floo.fragt: Sind die steigenden Gaspreise also Chance zu sehen, weg vom Gas und hin zu umweltfreundlicheren Energiequellen zu kommen? 

Jürgen Schneider: Ja, denn es zeigt sich ganz deutlich, dass etwa Erdgas weder klimafreundlich noch billig ist und wir zudem nicht sicher sind, ob der Gashahn nicht doch zugedreht wird.

Also gilt es so schnell wie möglich auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen. Allerdings müssen wir auch hier bei manchen unserer Partner noch Überzeugungsarbeit leisten. 

Was können wir tun?

floo.fragt: Wie können unsere Leser*innen helfen, die Klimaziele zu erreichen? 

Jürgen Schneider: Durch vielerlei Aktivitäten. Unterstützen Sie jene Akteurinnen und Akteure, die den Klimaschutz forcieren. Fordern Sie ein, dass in Ihrer Gemeinde, in Ihrem Bundesland und auf Bundesebene wirksamer Klimaschutz vorangetrieben wird.

Schenken Sie jenen Akteuren, die den Klimaschutz bremsen oder Bedenken äußern, keinen Glauben. Und im persönlichen Lebensstil hilft es zum Beispiel, zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs zu sein und nicht mit dem Auto. 

Weltweiter Klimastreik 2022 Wien
Weltweiter Klimastreik Wien 2022

Appel von Jürgen Schneider an unsere Leser*innen

floo.fragt: Unsere Leserschaft besteht vor allem aus Schüler*innen und Student*innen, möchten Sie dieser noch etwas mitgeben?

Jürgen Schneider: Ob wir bei der Bekämpfung der Klimakrise erfolgreich sein werden, wird ein ganz entscheidender Faktor für die globale Entwicklung der kommenden Jahre und Jahrzehnte, aber auch für Österreich. 

Nehmen Sie das Thema ernst, engagieren Sie sich, denn: Wir haben es in der Hand zu bestimmen, ob unsere Zukunft lebenswert ist!

Weiterführende Infos zur Klimakrise mit der Zielgruppe Jugendliche von Sektionschef Jürgen Schneider: