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Die instabile Lage in Bosnien und Herzegowina

Bosnien und Herzegowina, oder verkürzt auch nur Bosnien genannt, gibt es als Staat seit knapp über 25 Jahren, gegründet nach der Unterzeichnung des Dayton-Vertrags und Beendigung des Jugoslawienkrieges. Aus diesem Vertrag ging die Unterteilung des Staates in die Föderation Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska und die administrative Struktur des Landes heraus. Neben der geografischen administrativen Unterteilung wird auch zwischen den Ethnien, welche sich durch ihre Glaubensrichtungen definieren, unterschieden.

Bosnien, ein Vielvölkerstaat

Diese drei Ethnien (muslimisch, katholisch und serbisch-orthodox) werden auch von jeweils eigenen Präsidenten im Staatspräsidium vertreten und bilden den gemeinsamen Staatsapparat Bosniens.

Zudem gibt es auch den sogenannten „Hohen Repräsentanten“, der Vertreter der internationalen Gemeinschaft ist und als Beobachter der politischen Lage fungiert. Er ist notwendig, da sich der Staatsapparat gegenseitig nicht vertraut.

Seit dem Ende des Krieges herrscht im Land zwar Frieden, friedlich ist es aber trotzdem nicht. Immer wieder wurden nationalistische Stimmen laut, die sich für eine Abspaltung der Republika Srpska äußern. Im Mittelpunkt steht der serbische Nationalist Milorad Dodik. Er spricht von einer eigenen Armee und boykottiert gesamtstaatliche Institutionen, wie das Parlament und die Präsidentschaft. Angst vor einem erneuten Ausbruch des Krieges und einer Zersplitterung des Landes wurde wieder zur Realität.

Wie ist Bosnien politisch unterteilt?

Es gibt drei Vertreter der jeweiligen Volksgruppen im Staatspräsidium, bestehend aus Šefik Džaferović, Milorad Dodik und Željko Komšić. Neben dem Staatspräsidium gibt es den „Hohen Repräsentanten“ in der Staatsgewalt. Dieses Amt wird von dem deutschen Politiker Christian Schmidt (CSU) seit August dieses Jahres ausgeübt. Er wacht über die Einhaltung des Friedensvertrages und dient als internationale Kontrollinstanz.

Die Aufteilung des Landes ist ziemlich kompliziert, was immer wieder zu politischen Spannungen innerhalb des Landes führt. Insbesondere die halbautonome Republika Srpska strebt nach Unabhängigkeit und pocht auf eine geografische Trennung. Ignoriert wird dabei das Abkommen, welches vor 25 Jahren unterzeichnet worden ist und den Frieden am Balkan sichern sollte.

Wer ist Dodik?

Dodik vertritt die Republika Srpska im Staatspräsidium und ist durch seine nationalistische Agenda bekannt geworden. Er spricht sich gegen die Integrität Bosniens und gemeinsame Institutionen aus. Sein Ziel ist eine autonome Republika Srbska mit eigener Armee und eigenen Institutionen, folglich eine Zersplitterung des Landes. Seine Politik basiert hauptsächlich auf Nationalismus, Separatismus und gesetzlichen Blockaden gegenüber den anderen Vertretern des Staatspräsidiums.

Der 62-jährige Vertreter der Republika Srpska, ein früherer Sozialdemokrat, ist die lauteste Stimme in diesem Konflikt. Mit seiner nationalistischen Agenda stellt er sich gegen die Integrität Bosniens und entfernt sich von den gemeinsamen Institutionen. Die Rede ist von einer eigenen serbischen Armee, welche die Bevölkerung Bosniens in eine Angststimmung versetzt. Zustimmung erhält Dodik von Serbien und Russland, aber auch von einem EU-Staat: Ungarn. Viktor Orban besuchte Dodik dieser Tage in Banja Luka, Hauptstadt der Republika Srpska, jedoch verzichtete er auf einen offiziellen Besuch und ein Treffen mit den Politiker*innen in Sarajevo.

Dodik kritisiert stetig das Verfassungsgericht, an dem internationale Richter*innen tätig sind, und das

Steuer- und Justizsystem. Dem Westen droht der Politiker mit dem Zerfall Bosniens. Blockaden sind politischer Alltag und werden vom Daytoner-Abkommen gefördert. Dieses ist nicht nur ein Friedensvertrag, sondern gibt vor, wie der Staat nach dem Krieg aufgebaut werden soll. Da es zwischen den Ethnien und deren Vertretung kein ausreichendes Vertrauen gab, können sich die Gesetzgebung und Regierungsbildung gegenseitig blockieren. Auch der Hohe Repräsentant ist dem serbisch-orthodoxen Vertreter ein Dorn im Auge und schon seit Jahren das Feindbild der Republika Srpska.

Der Hohe Repräsentant und seine Gegner

Christian Schmidt ist CSU-Politiker und ehemaliger deutscher Landwirtschaftsminister. Seit August 2021 ist er Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina und löste den österreichischen Diplomaten Valentin Inzko in dieser Rolle ab. Russland stimmte als einziges Land gegen die Ernennung des Hohen Repräsentanten, Schmidt wurde dennoch gewählt. Daraufhin versuchte der russische Außenminister gemeinsam mit China im UN-Sicherheitsrat den Posten aufzulösen, jedoch ohne Erfolg. Im UN-Sicherheitsrat verhinderte die russische Regierung einen Vortrag von Schmidt, in dem er kritisch über die Lage Bosniens berichten wollte und Milorad Dodik verantwortlich macht. Zwar glaubt Schmidt nicht an eine Spaltung des Landes, doch darf die Kriegsrhetorik seitens der Republika Srpska nicht unterschätzt werden.

Was tun die EU und Österreich?

Die EU setzt im Moment auf Beschwichtigungspolitik, um Dodik und Russland zu besänftigen und um eine Eskalation zu vermeiden. Langfristiges Ziel sei es, auch Bosnien und Herzegowina in die EU einzuführen – Konflikt am Balkan und im Land wäre da kontraproduktiv.

Beobachter*innen fordern jedoch einen strengeren Umgang der EU mit Dodik und seiner rechten Politik. Der österreichische Außenminister Michael Linhart (ÖVP) sprach sich für ein einheitliches und souveränes Bosnien aus und fordert ein kooperatives Zusammenarbeiten aller Vertreter des dreiköpfigen Staatspräsidiums.

Wie sieht die Realität zur Lage nun aus?

Die Lage ist kritisch wie noch nie zuvor seit Unterzeichnung des Friedensvertrags vor 25 Jahren. Die Bevölkerung Bosniens ist verunsichert und macht sich Sorgen um die Zukunft. Instabilität, wirtschaftlich und politisch, war zwar immer Alltag, doch nun kommt auch Kriegsrhetorik seitens der Republika Srpska dazu. Der Bosnien-Experte des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP), Vedran Dzihic, fordert im ORF.at-Interview die EU zu klaren Grenzen gegenüber Dodik’s Agenda. Auch andere Beobachter*innen betrachten die Situation mit zunehmender Sorge.

Der Krieg ist für die Bevölkerung noch immer kein abgeschlossenes Thema und im Alltag spürbar. Die vielen Kriegsverbrechen, vor allem der Genozid in Srebrenica, werden von der Republika Srpska weder anerkannt, noch in den Schulen unterrichtet. Dies führt zu einer abgespaltenen Grundstellung der Volksgruppen, die innerhalb Bosniens vertreten sind. Diese Parallelgesellschaft im Land führt zu einer gegenseitigen politischen Blockade, wirtschaftlicher Instabilität und nationalistisch motivierten Anfeindungen. Was klar ist: Die Bosniak*innen sind gegen einen erneuten Ausbruch des Krieges.

Doch auch diese Krise kann politisch ausgenutzt werden, nicht nur von den pro-serbischen Politiker*innen. Auch andere nationalistische Parteien, wie die muslimische SDA, profitieren davon und vertreten eine aggressivere Haltung, die langfristig der Gesamtbevölkerung schaden wird.

In diesem Land fehlt die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Politik befindet sich stetig in einer korrupten und instabilen Lage. Dies macht Bosnien und Herzegowina anfällig für Krisen wie diese und den Weg in die EU beschwerlich. Der US-Beauftragte in Bosnien, Gabriel Escobar, versicherte, dass es zu keinem weiteren Krieg kommen wird. Doch die aktuelle Kriegsangst ist eine berechtigte, denn Dodik zielt mit seiner Rhetorik in die Wunden der bosnischen Bevölkerung.