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Grüne Atomkraft? – Was sind die Vor- und Nachteile von Atomenergie

Kernkraft in Europa

Durch den Krieg in der Ukraine schwappt die Debatte rund um Atomkraft in Europa wieder auf. Atomenergie hat ein durchwachsenes Image – aber warum? Wir schauen uns die Vor- und Nachteile von Kernenergie an und ihre Alternativen.

Mit Anfang des Jahres hat die EU atomare Energie als umweltschonend eingeordnet. Staaten, die in Atomkraftwerke (AKWs) investieren, sollen daher Förderungen bekommen, denn Atomkraftwerke stoßen kein CO2 aus und sind somit besser für das Klima, so die Begründung. Viele kritisieren den Beschluss, denn AKWs seien gefährlich verursachen schädlichen Müll.

Die Debatte um Atomkraft

Die EU hat am 31.12.2021 Atomenergie als grün eingestuft. Damit werden Staaten gefördert, die in Atomkraftwerke investieren. Den Hauptgrund sieht die EU darin, dass Kernkraftwerke kaum CO2 ausstoßen und damit in der Hinsicht nicht zum Klimawandel beitragen. Andere umweltschädlichere Energiequellen wie Kohle könnten somit ersetzt werden.

Die Klimakrise ist aktueller denn je, die Menschheit pumpt zu viel CO2 in die Luft, die Auswirkungen sind weltweit bereits bemerkbar. Es ist daher notwendig, die jährlich rund 35 Milliarden ausgestoßenen Tonnen an CO2 (Jahr 2020) so weit wie möglich zu reduzieren. Gleichzeitig ist allerdings die Bereitschaft zum Verzicht eher gering, das zeigen die Daten der letzten Jahre, welche verdeutlichen, dass der CO2 Ausstoß von Jahr zu Jahr mehr wird.

Hier findest du Daten zum Energiekonsum

Rund 76 % des CO2-Ausstoßes wird verursacht durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Vor allem Kohle, Gas und Öl werden verbrannt, damit Energie gewonnen wird, welche unter anderem für Transport und Strom benötigt wird. Um daher einerseits den Strombedarf zu decken und andererseits die Klimaziele zu erreichen, plant die EU, Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen zu reduzieren und grüne Energie zu fördern. Dieses Vorhaben äußert sich nun in Investitionen in Nuklearenergie.

Warum investiert die EU nicht in erneuerbare Energie?

Macht sie! Zusammen mit Privatunternehmen und Banken sollen bis 2030 rund 650 Mrd. € in grüne Energie investiert werden, vor allem Windkraftparks, Solaranlagen und die Gewinnung der „ocean-energy“ sind im Fokus. Erneuerbare Energien spielen eine sehr große Rolle im „Green Deal“ der EU, welcher diese bis 2050 zur Klimaneutralität führen soll.

Was ist der Europäische Green Deal?

Der Green Deal ist eine Abmachung der EU-Staaten, bis 2050 klimaneutral zu werden. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55% reduziert werden (im Vergleich zum Jahr 1990).

Die EU investiert also bereits in ökologische Energie, allerdings können erneuerbare Energien den Strombedarf Europas (noch) nicht decken. Erneuerbare Energiequellen sind teilweise wetterabhängig und somit keine konstanten Stromlieferanten. Darum investiert die EU auch in Atomenergie.

Windpark // Erneuerbare Energie - Atomkraft - Atomenergie
Windpark // Erneuerbare Energie

Laut Eurostat deckten im Jahr 2020 erneuerbare Energien in der EU die Energieversorgung zu 18,1% ab. Den größten Sektor mit 42,3% machten allerdings Öl und fossile Brennstoffe aus. 13,2% der verbrauchten Energie in der EU wurde aus Kernspaltung gewonnen.

Im Fokus steht unter anderem das Potenzial der „ocean energy“, das die Meere durch Strömung, Wellen und Wind bieten. Wenn mit passender Technologie diese Energie gewonnen werden könnte, wäre es möglich, 2050 mindestens 10% des Energiebedarfs allein durch die Energie des Meeres zu decken.

Ist Atomenergie gefährlich?

Nuklearenergie zählt statistisch zu den sichersten Energiequellen. Pro gewonnenem Terrawatt Energie sterben durch Atomenergie 0,07 Personen, die Unfälle Tschernobyls und Fukushimas miteinberechnet. Im Vergleich: Bei Braunkohle sind es 32,7 Personen je Terrawatt.

Bei den Reaktorunfällen sind insgesamt 4573 Tote (Quelle: WHO) und Millionen gesundheitlich Betroffene zu verzeichnen. Demgegenüber stehen jährlich etwa 5 Mio. indirekte Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe. Kommt es allerdings zu einem Unfall bei Atomkraftwerken sind die Folgen schwerwiegend: Verseuchte Gebiete, Tote und Erkrankungen sind die Folge. Atomare Strahlung verseucht die Natur, erhöht das Risiko einer Tumorerkrankung drastisch und kann dafür sorgen, dass riesige Zonen Land nicht mehr als bewohnbar gelten.

Chernobyl - Pripyat, Ukraine (April 2009) - Atomkraft - Atomenergie
Chernobyl – Pripyat, Ukraine (April 2009) // Atomkraftwerk

Es gibt allerdings auch andere Schätzungen, welche die totale Anzahl der Toten weitaus höher schätzen. Die Atomwissenschaftler Ian Fairlie und David Sumner meinen, dass die Zahl der absoluten Toten durch die Folgen radioaktiver Strahlung zwischen 30.000 und 60.000 liegen könnte. Auch mit diesen Zahlen wäre Kernenergie rein statistisch eine der sichersten Energiequellen, wobei man aber bei atomaren Unfällen neben der Anzahl an Toten auch die Langzeitfolgen ins Auge fassen muss. Am allersichersten sind erneuerbare Energien (Wind- 0,04 Tote pro Terrawatt und Solarenergie 0,01 Tote pro Terrawatt).

Mit einem Terrawatt (TWh) wird der jährliche Strombedarf von 187.000 Europäer*innen gedeckt.

Die Atom-Befürworter*innen-Seite argumentiert häufig, dass Atomkraftwerke der neuen Generation immer sicherer werden und daher die Chance für ein „Tschernobyl 2.0“ immer mehr minimiert wird.

Warum ist Atomkraft so unbeliebt?

Besonders im deutschsprachigen Raum ist Atomenergie als umweltschädlich verpönt. Die Ereignisse von Tschernobyl und Fukushima veranlassten die Politik, einen Anti-AKW-Kurs zu fahren.

Die „ATOMKRAFT? NEIN DANKE“-Sticker sind nahezu jedem bekannt, in vielen Kreisen galt die Anti-Atomkraft-Bewegung als Establishment-kritisch und hat viele Anhänger*innen.

Nuclear Power? No Thanks Sticker - Atomkraft - Atomenergie

In Schweden hingegen hat atomare Energie ein sehr sauberes und positives Image. Gemeinden bewerben sich im Wettstreit darum, den neuen Standort für ein Atomkraftwerk bereitzustellen, denn es wird argumentiert, dass diese Sicherheit, Wohlstand und Jobs bieten.

Wusstest du, dass 50,47% der Österreicher*innen 1978 gegen die Inbetriebnahme des AKWs in Zwentendorf stimmten? Österreichs einziges AKW.

Viele Kritiker*innen argumentieren, dass, anstatt Nuklearenergie zu fördern, die EU lieber erneuerbare Energien unterstützen sollte. Diese seien immerhin umweltfreundlicher, da sie keinen Atommüll verursachen. Immerhin ist der strahlende Müll ein Problem, das der zukünftigen Generation mitgegeben wird. Der Müll ist gefährlich und kann nicht ökologisch entsorgt werden, er wird daher „endgelagert“.

Zudem sei Atomenergie um ein Vielfaches teurer als erneuerbare Energien wie beispielsweise Solarenergie. Auch fehle der Atomindustrie die Zukunft, denn Stoffe wie Uran gibt es nicht unendlich auf der Welt. Sind diese Stoffe einmal aufgebraucht, gibt es daher auch keine Nuklearenergie mehr wie wir sie kennen.

Das Geld, das man in den Bau von Atomkraftwerken stecke, wäre daher besser in erneuerbare Energien investiert, meinen Atomkraftgegner*innen.

Atomkraft-Befürworter*innen entgegnen, dass erneuerbare Energiequellen noch nicht den Energiebedarf der EU decken können. Sie verweisen auf die Wetterabhängigkeit. 

Atomkrafttwerk - Atomenergie
Atomkraftwerk // Atomenergie

Die Pro-Atom-Seite meint daher, dass es noch einige Schritte brauche, bis die grüne Alternative als alleinige Energieversorgerin dienen kann. So müssten etwa erst Technologien entwickelt werden, die die gewonnene Energie in Zeiten des Überflusses speichert, sodass auf diese in Zeiten des Mangels zurückgegriffen werden kann.

Solche Technologien sind bereits in Forschung und es gibt auch teilweise schon Lösungen. Pumpspeicherkraftwerke etwa können überflüssige Energie speichern und bei Bedarf wieder freigeben.

Wie funktioniert ein Pumpspeicherkraftwerk?

Bis heute ist es schwierig große Mengen elektronischer Energie zu speichern. Wasser wird in einen höher gelegenen Stausee-Speicher gepumpt. Bei Energiebedarf wird der Speicher geleert. Das Wasser fließt durch Turbinen, die die beim Pumpen verlorene Energie wieder zurückgewinnen.

Ist Atommüll ein lösbares Problem?

Jein: Es sind moderne Atomkraftwerke in Planung, die den strahlenden Müll recyceln könnten. Diese sogenannten „Dual-Fluid Reaktoren” wird es erst um 2034 geben.

Der wiederverwertete Müll wäre dann „nur noch“ 300 Jahre lang strahlend, also immer noch ein langlebiges Problem. Befürworter*innen meinen, eine Endlagerung über 300 Jahre wäre machbar.

Der Müll, den Kernkraftwerke mitproduzieren, ist ein Problem, denn er ist über Jahrtausende lang strahlend und damit gefährlich für Mensch und Umwelt. Es gibt in der Theorie neue Pläne für Atomkraftwerke, die diesen Müll recyceln und damit auch minimieren könnten. Der Müll würde dann “nur” 300 Jahre lang strahlen.

So könnte auch schon jetzt lagernder Müll recycelt werden, dieser wäre dann auch weniger lang strahlend. Problematisch ist, dass es immer wieder Probleme mit der Endlagerung gibt. Teilweise sind Endlager undicht und so gerät radioaktive Strahlung in die Umwelt.

Hochradioaktiver Müll ist ca. 200.000 Jahre lang „strahlend“, daher gefährlich, danach ist er wieder so radioaktiv wie Natururan, immer noch gefährlich. 

Wie grün ist Atomkraft?

Derzeit hat man immer noch große Probleme mit der Endlagerung von Atommüll, denn ein Endlager muss viele Sicherheitsanforderungen erfüllen, um für die nächsten Jahrtausende den gefährlichen Müll sicher aufbewahren zu können. In Europa gibt es derzeit viele Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll, ein Endlager für hochradioaktiven Müll wird gerade in Finnland gebaut und soll 2025 in Betrieb gehen. Dieses wird allerdings jetzt schon von Expert*innen kritisiert. Es sei nicht sicher, ob das Endlager auch wirklich für die nächsten Jahrtausende die notwendigen Anforderungen erfüllen kann. Unter anderem sei auch die Möglichkeit der Überwachung bei der Planung nicht berücksichtigt worden.

Atommüll - Atomkraft, Atomenergie
Atommüll // Atomenergie

Auch Österreich sucht derzeit nach einem geeigneten Standort für die Endlagerung des heimischen schwach- und mittelradioaktiven Atommülls. Dieser entsteht, weil in der Medizin, Forschung und Industrie viel mit radioaktiven Stoffen gearbeitet wird. Das österreichische Atommüllproblem ist allerdings um ein Vielfaches kleiner als das von AKW-Staaten, da um einiges weniger Atommüll anfällt (jährlich ca. 300 Tonnen radioaktiver Müll).

Erneuerbare Energien sind deutlich nachhaltiger, sie produzieren keinen gefährlichen Müll und geben auch keine gesundheitsgefährdende Strahlung ab, die Flora und Fauna belasten könnte.

Eine neue AKW-Generation soll die „Dual-Fluid“ Generation werden. 2029 soll der erste Testtyp gebaut und 2034 dann in Serienproduktion gehen. In der Theorie wären diese Reaktoren dann sogar über die gesamte Lebensdauer hinweg umweltfreundlicher als erneuerbare Energien. Schon bei der Produktion würde wenig CO2 in die Luft gepumpt werden, da das Kraftwerk deutlich kleiner geplant ist als Atomkraftwerke, die momentan in Betrieb sind. Außerdem sollen diese dann auch zehnmal so effizient wie derzeitige Kernkraftwerke und 200-mal so effizient sein wie Windkraftparks.

Das Problem: Es ist noch nicht erwiesen, dass der Prozess auch so funktioniert wie geplant. Bis zu den ersten Ergebnissen müsste daher noch sehr viel Geld in die Testung investiert werden.

Hauptargumente
für Atomenergie?

  • Kaum CO2-Emissionen
  • Versorgungssicherheit
  • AKWs sind sehr langlebig und sicher
  • Neue AKWs könnten den Müll recyceln

Hauptargumente gegen Atomenergie?

  • Verursacht jahrtausendelang gefährlichen Müll
  • Wegen Müllproduktion nicht nachhaltig
  • AKWs sind vergleichsweise teuer
  • Großes Schadenspotenzial, wenn es zu einem Unfall kommt

Fazit: Pro oder Contra?

Atomenergie ist eine umweltfreundlichere Alternative als fossile Brennstoffe. Sie könnte gemeinsam mit erneuerbarer Energie genutzt werden, um den Klimawandel zu stoppen, meinen Befürworter*innen. Die Kritiker*innen halten dem entgegen, dass das Müllproblem nicht nachhaltig lösbar und das Sicherheitsrisiko zu groß sei.

Meinung: Das reine Zurückgreifen auf erneuerbare Energiequellen wäre klarerweise die wünschenswerteste Option, diese ist allerdings noch nicht gegeben. Den wachsenden Energiebedarf können diese Energiequellen noch nicht tilgen, zudem sind sie nicht konstant genug, sodass es hier weitere Forschung benötigt wird.

Atomenergie könnte laut Befürworter*innen einen guten Zusatz zu erneuerbaren Energien für die ökologische Energiewende bieten. Denn fossile Brennstoffe sind keine Option mehr, 5 Millionen Tote jährlich und 76 % der menschengemachten Emissionen zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Darin sind sich beide Parteien einig. Dass Deutschland mit Ende des Jahres alle AKWs ausschaltet, wird daher international teilweise kritisch hinterfragt. Auch in Österreich vertritt die Regierung weiterhin einen atomfreien Weg.