Millionen von Menschen, eine Wüstenlandschaft und der immer bedrohlichere Klimawandel: Das ist die Ausgangslage von Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens. 7,5 Millionen Bäume sollen den immer extremeren Lebensbedingungen nun entgegensteuern.
📍Riad (الرياض) – 6,5 Mio. Einwohner*innen
Das Königreich Saudi-Arabien will im Rahmen seines Konzepts Vision 2030 unabhängig von Öl werden und eine aufblühende Wirtschaft und vitale Gesellschaft erhalten. Das Riyadh Green Project ist eines der zentralen Unterfangen davon: Bis 2030 will König Salman bin Abdulaziz zahlreiche Bäume in der Stadt und der gleichnamigen Provinz pflanzen. Dies soll wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität der Metropole beitragen.
Wozu soll das Riyadh Green Project gut sein?
Das Riyadh Green Project soll die Lebensqualität der Millionenmetropole verbessern. Eine höhere Luftqualität, geringere Temperaturen, weniger Wasserverschwendung und positive Effekte auf den menschlichen Körper tragen zu dieser Entwicklung bei.
Ein wesentliches Ziel des Riyadh Green Projects ist es, die Auswirkungen des Klimawandels in der Millionenmetropole zu verringern und so die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Pflanzen betreiben bekanntlich Photosynthese, das bedeutet, sie wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um.
Die CO2-Konzentration soll durch die urbane Bepflanzung um 3-6% gesenkt werden, auch der Feinstaub-Gehalt in der Atmosphäre soll reduziert werden. Dies bringt gesundheitliche Vorteile für die Stadtbevölkerung mit sich, deren Atemwege von schlechter Luftqualität beeinträchtigt sind.
Mit einer Durchschnittstemperatur von 29-43 Grad Celsius im August ist Riad bereits jetzt schon enormer Hitze ausgesetzt. Doch auch der Nahe Osten wird von den steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels nicht verschont bleiben. Auch in diesem Zusammenhang bringt das Riyadh Green Project Vorteile mit sich:
Die Lufttemperatur soll durch die Bäume um zwei Grad Celsius abgekühlt werden, im Schatten ist sogar eine Abkühlung von bis zu 15 Grad möglich. Die körperliche Hitzebelastung und Gesundheitsschäden reduzieren sich dadurch wesentlich.
Zudem soll weniger Abwasser verschwendet und dafür besser genutzt werden – für die Bewässerung der Pflanzen. Außerdem erhofft man sich durch die Schaffung von Parks mehr Raum für soziale Treffen und sportliche Betätigung, wodurch Menschen zu mehr Bewegung und so zu einem gesünderen Lebensstil ermutigt werden sollen.
Wie viele Bäume werden beim Riyadh Green Project gepflanzt?
Mit 7,5 Millionen Bäumen gehört das Riyadh Green Project zu einem der größten urbanen Bewaldungsprojekten weltweit.
Die Pflanzen werden über die ganze Stadt und die gleichnamige Provinz hinweg gesetzt, wodurch der Grünflächenanteil der Stadt um 9% zunimmt. So sind beispielsweise 43 Stadtparks geplant, der Größte von ihnen um ein Vielfaches größer als etwa der Central Park in New York City.
Pro Kopf sollen in Zukunft somit nicht mehr 1,7 Quadratmeter, sondern 28 Quadratmeter Grünfläche entfallen. Damit würde Riad dennoch unter der Grünfläche pro Kopf von Wien liegen: In der österreichischen Hauptstadt kommt jede Person auf 95,37 Quadratmeter (Stand 2018).
Was sind die großen Herausforderungen des Riyadh Green Projects?
Die Verantwortlichen stehen vor enormen finanziellen, logistischen und technischen Herausforderungen. Abgesehen von dem schieren Ausmaß des Projektes, bereiten insbesondere die Wüstenlandschaft und die daraus resultierende Wasserknappheit Kopfzerbrechen.
Saudi-Arabien liegt zum größten Teil in der Wüste. Folglich ist der Boden trocken und das Grundwasser beschränkt, was für Pflanzenwachstum nicht förderlich ist. Daher wurden für das Riyadh Green Project Pflanzen ausgewählt, die in den dortigen klimatischen Bedingungen überleben können. Insgesamt sollen über 70 Schattenpflanzenarten verwendet werden, insbesondere Acacia-Bäume. Außerdem werden eigene Baumschulen angelegt.
Für die Bewässerung all dieser Pflanzen braucht es Wasser, ein Gut, das in der Wüstenregion nur spärlich vorhanden ist. Bereits jetzt schon kommt ein enormer Anteil des Wasserverbrauchs aus dem Meer und muss in einem energieintensiven Prozedere entsalzt werden. Durch die Klimakrise verschärft sich die Lage zunehmend.
Woher kommt das Wasser für die Bewaldung?
Das Abwasser der Region soll recycelt und nicht wie bisher in Tälern entsorgt werden. Dafür wird im Zuge des Riyadh Green Projects ein unterirdisches Wasser-Netzwerk mit einer täglichen Kapazität von 1,700,000 m³ Wasser (entspricht in etwa 400 Olympia-Schwimmbecken) gebaut.
Die Konstruktion dieses Netzwerkes ist – neben der Bewaldung – der zweite wesentliche Teil des Projektes. Die Koordination, Planprüfung und Bauüberwachung in diesem Unterfangen hat die österreichische Firma ILF Consulting Engineers übernommen. Die 1967 in Innsbruck gegründete Ingenieursberatung arbeitet zusammen mit zahlreichen weiteren internationalen Ingenieursbüros und Landschaftsarchitekten an dem Mega-Projekt.
Bis wann soll das Riyadh Green Project fertig sein?
Seit der Vorstellung des Projektes im März 2019, konnte bereits 2020 mit der Bewaldung begonnen werden und einige kleinere Projekte bereits abgeschlossen werden. Allerdings befindet sich das Projekt nach wie vor vorwiegend in der Planungsphase.
Rohrleitungen, Wasserspeicher und Pumpstationen des Bewässerungsnetzwerkes gehen nächstes Jahr in die Bauphase über und sollen bis 2026 fertiggestellt werden. Die komplette planmäßige Fertigstellung dieses Mega-Projektes ist bis 2030 geplant.
Also… Ist Saudi-Arabien ein tolles Land zum Leben?
Bis 2030 will Riad zu den 100 lebenswertesten Städten der Welt gehören. Um diesen Meilenstein zu erreichen, müssen allerdings einige Faktoren erfüllt werden: Grünflächen mitsamt all seinen positiven Auswirkungen werden die Missachtung zahlreicher Menschenrechte nicht ausgleichen können.
Saudi-Arabien ist eine absolute autoritäre Monarchie und belegt laut dem Demokratieindex Platz 152 (Stand 2022). Zudem enthielt sich das Land bei der Abstimmung der Verabschiedung der Deklaration der Menschenrechte seiner Stimme und ist dementsprechend davon gekennzeichnet: In Saudi-Arabien ist Folter nach wie vor eine gängige Art der Bestrafung, hinzu kommen öffentliche Hinrichtungen. Allein im Jahr 2019 kam es laut dem Human Rights Watch zu 184 Exekutionen.
Auch andere Menschenrechte – etwa frei Meinungsäußerung und das Recht auf Demonstrationen – werden missachtet. Aktivist*innen landen häufig hinter Gittern und die Gründung von Menschenrechtsorganisationen ist gänzlich verboten. Vor allem Frauen werden minder behandelt: Erst seit Kurzem ist es diesen gestattet, ihren eigenen Pass zu besitzen und ohne Erlaubnis eines Mannes das Land zu verlassen. Auch das Steuern eines Autos war ihnen lange Zeit untersagt.
Hinzu kommt, dass Saudi-Arabien der größte Öl-Exporteur der Welt ist. 15% der globalen Ölreserven liegen in dem Land – ein scheinbarer Widerspruch zu den nun gesetzten Umweltschutzinitiativen. Kritiker des Riyadh Green Project sehen eine PR-Masche und eine Gefahr des Greenwashings, um Saudi-Arabiens getrübtes Image zu verbessern.
#Meinung: Egal ob das Projekt aus eigenem Umweltbewusstsein, globalem Druck oder aus einem Akt der Selbstinszenierung heraus entstanden ist: Die Samen werden bereits gesetzt.