Der erste Weltkrieg und seine Folgen hatten Österreich ruiniert. Hunderttausende waren gefallen, die Wirtschaft am Boden. Die Arbeitslosenquote stieg von 1921 bis 1923 um ein Zehnfaches an, die Inflation stieg auf bis zu 129 Prozent. Österreich verlor außerdem Zugriff auf die Güter aller Fabriken und Landwirtschaften, die in ehemaligen Kronlanden wie Tschechien oder Ungarn lagen.
Eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung hoffte darauf ihren kleinen Staat mit dem Deutschen Reich zu vereinen, was jedoch von den Siegermächten des ersten Weltkriegs verhindert wurde. Jene befürchteten, dass die gerade erst besiegten Kriegsgegner vereint eine zu große Gefahr für künftigen europäischen Frieden sein könnten.
Ein neuer Staat entsteht
Durch die Niederlage im Weltkrieg war auch das Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie besiegelt. Der Vielvölkerstaat wurde aufgespalten, die Jahrhunderte alte Habsburgerdynastie samt der gesamten Adelsherrschaft abgeschafft, eine neue Staatsform , die Republik, wurde eingeführt. Nun sollte jeder Mensch mitbestimmen dürfen, ob Mann oder Frau, ob arm oder reich. Doch dieser Wandel wurde von der damaligen Bevölkerung keineswegs willkommen geheißen. Das Gegenteil war der Fall, viele Menschen konnten nichts mit dem neuen System anfangen. Man sehnte sich nach den „guten“ alten Zeiten der Monarchie, als ein Mann an der Spitze war und die Geschicke des Landes lenkte.
Politik in den 1920ern
Bereits um das Jahr 1890 entwickelten sich zwei große Parteien, die Sozialdemokraten (die heutige SPÖ) und die Christlich-Sozialen (die heutige ÖVP). Während in der Monarchie der Kaiser noch die meiste Macht hatte, lag die Staatsgewalt nun in der Hand jener beiden Parteien.
Aus Anhängern der Sozialdemokraten entstand der Republikanische Schutzbund, den Christlich-Sozialen wiederum stand die sogenannte Heimwehr sehr nahe. Beide jener Gruppen können als paramilitärische Einheiten oder Milizen gesehen werden, also nicht staatliche, bewaffnete Gruppen, welche aufgrund der brutalen Erfahrungen des ersten Weltkrieges auch vor Gewalt nicht zurückschreckten.
Eine weitere Parteien war die Deutschnationalen, welche den Anschluss an Deutschland anstrebte und sich am aufkommenden Faschismus von Italiens „Duce“ Benito Mussolinis sowie der in Deutschland entstehenden NSDAP orientierten.
Auch eine Kommunistische Partei wurde gegründet, welche jedoch vorerst keine große Rolle spielte.
Die Anhänger der Parteien, besonders der Schutzbund und die Heimwehr, lieferten sich in den Jahren der ersten Republik oft Straßenschlachten, welche nicht selten Todesopfer zur Folge hatten. Im Parlament kam es oft zu hitzigen Debatten und wüsten Beschimpfungen, die Wahlwerbung war für heutige Verständnisse ungeheuer radikal.
Die Julirevolte und ihre Folgen
1927 kam schließlich ein Funken der die explosive Stimmung hochgehen ließ. In der burgenländischen Ortschaft Schattendorf war es zu einem gewalttätigen Zusammentreffen zwischen dem Schutzbund und der Heimwehr gekommen. Dabei schossen drei Mitglieder der Heimwehr auf eine Menschenmenge, ein Kriegsinvalider und ein Kind wurden dabei tödlich verletzt. Die Schützen wurden in Wien vor Gericht gestellt, jedoch schlussendlich am 15.Juli 1927 freigesprochen.
Das heizte die Gemüter der Wiener, welche hauptsächlich auf Seite der Sozialdemokraten standen, derart auf dass es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kam. Es kam zu gigantischen Straßenschlachten, Polizeistationen wurden gestürmt und der Justizpalast wurde angezündet, Feuerwehren wurden beim Versuch diesen zu löschen von der Menge drangsaliert. Kriminelle nutzten das Chaos um zu plündern.
Schließlich erhielt die Stadtpolizei den Schussbefehl und feuerte mit Maschinengewehren auf die Menschenmassen. An diesem Tag gab es beinahe 89 Tote und über eintausend Verwundete. Das mühsam aufgebaute Vertrauen zwischen der Regierung und dem Volk der Republik ging innerhalb eines Tages verloren.
Die Folgen war ein rasanter Zuwachs von Beitritten zur Heimwehr, da viele Menschen und christlich-soziale Politiker den Sozialdemokraten und dem Schutzbund die alleinige Schuld an der Julirevolte gab. Es wurde die Angst geschürt dass die Sozialdemokraten eine „bolschewistische“ Revolution herbeiführen wollten, wie dies zehn Jahre zuvor in Russland der Fall gewesen war.
Der Aufstieg von Dollfuß
In den nächsten Jahren verloren die Sozialdemokraten stätig an Macht, die Heimwehr der Christlich-Sozialen wandte sich immer mehr dem Faschismus zu. 1933 schließlich schaffte der christlich-soziale Kanzler Engelbert Dollfuß es schließlich das Parlament wegen „Handlungsunfähigkeit“ auszuschalten.
Er legte auch den Verfassungsgerichtshof lahm, löste den Schutzbund auf und verbot sowohl die Kommunistische Partei sowie die österreichische NSDAP. Zumindest teilweise wurde er dabei von Mussolini unterstützt.
Der damalige Bundespräsident Wilhelm Miklas unternahm nichts dagegen, trotz einer Petition österreichischer Bürgerinnen und Bürger, welche von einer Million Menschen unterschrieben worden war.
Rot-Weiß-Roter Untergang
Die noch existierenden Sozialdemokraten der Republik waren sich uneinig wie man gegen den undemokratisch agierenden Dollfuß vorgehen sollte. Während die obersten Parteifunktionäre für eine demokratische Lösung waren begannen die unteren Parteimitglieder für den Ernstfall Waffen zu horten. Eines dieser Waffenlager wurde im Februar 1934 schließlich entdeckt, es kam zu Schusswechseln welche sich auf verschiedene Standorte in ganz Österreich ausweiteten. In diesem als „Februarkämpfe“ bezeichneten Bürgerkrieg starben je nach Quelle 300 bis 2000 Menschen.
Dollfuss ließ im Zuge der Kämpfe dutzende Verhaftungen durchführen und mehrere der wichtigsten sozialdemokratischen Mitglieder, wie etwa Koloman Wallisch, hinrichten. Die sozialdemokratische Führungsspitze floh, wodurch Dollfuß die alleinige Macht besaß und faktisch ein Diktator war.
Doch seine Macht hielt nicht lange, im selben Jahr kam es zu einem Putschversuch von Nationalsozialisten, wobei Dollfuß getötet wurde. Sein Nachfolger Kurt Schuschnigg, versuchte an der Macht zu bleiben, jedoch fand die verbotene NSDAP immer mehr Zuspruch in der österreichischen Bevölkerung. Der Schrei nach einem Anschluss an das inzwischen von Hitler regierte Deutschland wurde laut.
Italien unter Mussolini unterstützte anfangs die Österreichische Unabhängigkeit, jedoch nur bis Italien und Deutschland ein Bündnis beschlossen. Dadurch kam es bald darauf zu einer Volksabstimmung, bei welcher der Großteil der österreichischen Bevölkerung für den Anschluss an Deutschland stimmte.
Obwohl diese Abstimmung zu gewissen Teilen gewiss manipuliert war, war der Jubel unter der österreichischen Bevölkerung trotzdem laut als deutsche Truppen am 13.März 1938 die Grenze passierten und Österreich Teil des Deutschen Reiches wurde.
Kurt Schuschnigg und viele andere Spitzenpolitiker wurden verhaftet und in Konzentrationslager gebracht, während die Bürgerinnen und Bürger Hitler bejubelten. Die letzten Reste der ersten Republik ertranken im schallenden Beifall der Massen.
Nicht ganz zum Thema passend, aber auch geschichtlich, hier sind alle Wahlergebnisse aus Österreich und die politischen Entwicklungen seit beginn der zweiten Republik nach dem zweiten Weltkrieg:
ein Artikel von Ulrich Kierberger