Freie Rede, FPÖ // floomagazin
C.Stadler/Bwag, CC BY-SA 4.0 , Grafik: floo.Magazin

Rechtspopulisten und Meinungsfreiheit – Fördert die FPÖ wirklich freie Rede in Österreich?

Rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ werfen der Regierung und der EU oft vor, die Freie Rede einzuschränken. Mit Begriffen wie ‚Zensur‘ heizen sie Debatten an und inszenieren sich als letzte Verteidiger freier Rede. Aber stimmt das wirklich? In diesem Artikel schauen wir uns genauer an, ob sie die Meinungsfreiheit tatsächlich fördern – oder ob dahinter mehr Schein als Sein steckt.

Freie Rede, FPÖ // floomagazin

Herbert Kickl (FPÖ)

Parteivorsitzender

Wie sieht’s aus mit der österreichischen Rechtsstaatlichkeit?

Wenn Rechtspopulist: innen der FPÖ wie im Falle des Hass-im-Netz Gesetzespakets aus dem Jahr 2021 und der EU-Verordnung zum “Digital Services Act”, in kraft getreten im Februar 2024, einen Verfall der Meinungsfreiheit beschwören, dann führen sie oft das Schlagwort “Zensur” an. Diese soll ausgehend von den “Einheitsparteien” und “EU-Eliten” durchgesetzt werden.

Dazu müsse im Umkehrschluss die österreichische Rechtsstaatlichkeit außer Kraft gesetzt sein und die FPÖ als einziges, dieser Entwicklung entgegentretendes, Korrektiv erscheinen. Doch ein Blick auf den EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht 2023 zeigt: diese ist trotz einiger Defizite in Bereichen Justiz und Korruption, noch immer erhalten. Dem Rechtsstaatlichkeitsindex 2023 des “World Justice Project” zufolge befindet sich Österreich trotz zuletzt sinkender Tendenz weltweit noch immer auf Platz 11.

Klar ist: Gesetzgebungsprozesse wie diejenige der Hass-im-Netz-Gesetzespakete sind in Österreich wie anderswo nicht ohne Fehler. Doch anders als von der FPÖ behauptet, ist es gerade die bestehende Rechtsstaatlichkeit in Österreich, die in Form der Opposition, unabhängiger Gerichte und freien Medien, auf solche Fehler aufmerksam macht und zu ihrer Korrektur führt. Hinzu kommt, dass die FPÖ dabei keine Sonderstellung für sich behaupten kann.

Meinungskorridore: Wie die FPÖ ihre Rolle im politischen Diskurs sieht

Dennoch könnte die FPÖ einen konstruktiven Beitrag zur Meinungsfreiheit leisten, beispielsweise indem sie, wie jede andere politische Bewegung auch, den Ausdruck bestehender Wahrnehmungen und Meinungen in sonstig vernachlässigten Bevölkerungsteilen erleichtert und vornimmt. Dies wäre die abgeschwächte Version des zuletzt genannten Argumentes, es herrsche eine “Zensur”: stattdessen kann man sich auf angeblich enger werdende Meinungskorridore rund um Themen wie menschengemachter Klimawandel, der Gender- und in geringerem Ausmaß der Migrationsdebatte, berufen.

Die Möglichkeit enger Meinungskorridore, die eine Hinwendung zu populistischen Bewegungen und Parteien wie der FPÖ wird durchaus in den Politikwissenschaften wahrgenommen. Jedoch nicht in Bezug auf die von rechtspopulistischen Akteuren wie der FPÖ angesprochenen Debatten um geschlechtergerechte Sprache, Corona-Politik, oder menschengemachten Klimawandel. In diesen Fällen handelt es sich eindeutig nicht um Einschränkungen der Meinungsfreiheit, da sowohl die Auswirkungen des Genderns, eines Großteils der Corona-Maßnahmen und menschlicher Handlungen auf den Klimawandel empirisch belegbar sind — somit handelt es sich, wir erinnern uns, in diesen Fällen kaum um Meinungen, sondern schlicht falsche Tatsachenbehauptungen, die nicht unter die Ausübung der Meinungsfreiheit fallen.

Politikwissenschaftliche Perspektiven und populistische Behauptungen

Stattdessen erkennen Politikwissenschaftler eine Verbindung zwischen rechtspopulistischen Bewegungen und engen Meinungskorridore in der Übertragung populärer Meinungen in formale politische Prozesse. Letztere seien, so argumentieren verschiedene Fachmeinungen, für erstere aus zwei Gründen kaum zugänglich. Erstens lässt sich feststellen, dass Wähler: innen immer öfter nicht wählen, was ihren eigenen Überzeugungen entspricht, bzw. die von ihnen gewählten Repräsentant: innen Wählerwünsche nicht umsetzen. Zweitens, dass die Handlungen von Repräsentant: innen die Wählerwünsche einer kleinen Schicht reicher und Superreicher entsprechen (vgl. Bartels/Achen 2016, für Europa Schäffer/ Zürn 2021). Hier von einem “stattdessen” auszugehen, wäre jedoch vereinfachend und möglicherweise verfälschend — für die angeführten Wissenschafter gilt es vielmehr, die Repräsentationslücke in ihren Details zu erforschen.

Eindeutiger beziehen sie Position zu rechtspopulistischer Politik: hier wird die Möglichkeit, dass diese Bewegungen dadurch Meinungskorridore öffnen, zumeist einhellig abgelehnt. Potenziale werden, wenn überhaupt, denn es handelt sich hier wie eben angedeutet um eine kontroverse Frage, in linken Formen von Populismus, wie vor allem von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe vorgeschlagen, erkannt. Diese Ablehnung gestandener Populismusforscher:innen wie Jan-Werner Müller (2016) oder Cristóbal Rovira Kaltwasser (2017) seinen rechten Formen entgegen liegt nicht nur, aber auch am nächsten Themenpunkt dieses Beitrags.

Können Rechtspopulist: innen ihren positiven Beitrag zur Meinungsfreiheit konkretisieren?

Es lässt sich durchaus argumentieren, dass eine ausbleibende Umsetzung der Wählerwünsche normalsterblicher eine Abwertung der Meinungsfreiheit bedeuten. Denn auch wenn diese sich noch formal frei äußern ließe, und auch dies ist nicht überall der Fall, ist der Einfluss auf die tatsächliche Politik verschwindend gering und bricht eine zentrale Stütze ihres normativen Wertes weg.

Doch nichts deutet darauf hin, dass sich rechtspopulistische Bewegungen überhaupt auf von Politikwissenschaftlern herausgearbeitete Theorien und Datenlagen beziehen. Diese indizieren nämlich, dass es sich bei Problemen der Meinungsübertragung um Probleme der Ansammlung politischer Macht in den Händen weniger handelt, die auf diverse Arten und Weisen mit Problemen beim Durchschnittsbürger für seine Überzeugungen adäquate politische Vertretung zu finden, einhergehen. Herausgestellte Problemfelder sind dabei nicht eindeutig und werden laufend auseinandergesetzt, die Liste wird jedoch von Arbeits-, Vermögens-, und Geschlechterverhältnissen sowie Marginalisierungen aufgrund von Nationalität und Ethnie angeführt.

Von Seiten der Rechtspopulist: innen komplexe und doch bekannte Verbindungen werden nicht an die Öffentlichkeit vermittelt, an anderen Stellen wird die Komplexität oder uneinheitliche Datenlage schlicht ignoriert und stattdessen scheinbar blind auf geheime Verschwörungen der Einheitsparteien und EU-Eliten gehetzt.

Befördern rechtspopulistische Bewegungen die Meinungsfreiheit?

Genauso verhält es sich mit ihren nichtdiskursiven Handlungen, hier fehlen schlicht und ergreifend handfeste Hinweise darauf, dass rechtspopulistische Bewegungen in- oder außerhalb von Regierungstätigkeit tatsächlich zur Verbesserung genannter gesellschaftlichen Dynamiken beitragen. Wo soziale Abhängigkeiten, die einen Einfluss auf die Ausübung der Meinungsfreiheit haben können, bestehen, sind sie gelinde gesagt nicht daran interessiert. Das wären an vorderster Stelle dann ja strukturelle wie die strukturelle Ungleichheit im Arbeitsverhältnis, oder noch schlimmer, Diskriminierung auf Grundlage von Geschlecht, Ethnie und Nationalität.

Links & Quellen