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Asyl-Sachleistungskarte: Wie gehen wir mit Menschen um?

Jetzt soll sie also 2025 kommen. Seit Monaten spricht das Innenministerium von der Einführung einer Sachleistungskarte nach deutschem Vorbild. Ende August dann eine Pressekonferenz: Innenminister Karner bilanziert über die Erfolge seiner restriktiven Flüchtlingspolitik und wirbt für die Einführung der Bezahlkarte im nächsten Jahr. Doch das Vorhaben, welches Karner der Nachfolgerregierung schmackhaft machen will, lässt sich kaum wissenschaftlich begründen.

Eine Karte für Alles?

Seit Juli 2024 gibt es dazu ein Pilotprojekt in Oberösterreich. Leistungen wie Verpflegungs- oder Taschengeld sollen künftig nicht mehr Bar sonder auf einer Karte gebucht bekommen. Der Verwaltungsaufwand soll reduziert werden.

Die Karte funktioniert aber nicht wie eine normale Bankomatkarte oder Visa. So gibt es einen regionale Beschränkung auf Österreich, nur 40€ dürfen pro Monat abgehoben werden, keine Auslandsüberweisungen und Ausschluss von Bereichen wie Glücksspiel, Crypto oder Pornografie. Missbrauch von Leistungen sollen verhindert werden, gerade Geldflüssen zu “Schleppern” will man stoppen, so Innenminister Karner.

Tirol setzt schon seit 2017 auf ein Kartensystem über die Hypo-Landesbank. Bargeldabhebungen sind dort uneingeschränkt.

Stärkere Einschränkungen gibt es in Niederösterreich, wo die ÖVP-FPÖ-Landesregierung ihre eigene Sachleistungskarte über den Sommer ausprobierte. Ab November sollen dort alle Asylwerber:innen eine Karte erhalten. Das niederösterreichische System zielt dabei ab es. Statt den monatlichen Betrag am Anfang jeden Monats zu überweisen, wird jeden Tag ein Teilbetrag überwiesen – dieser beträgt 5,70€. Öffi-Fahrkarten, Einkäufe in Apotheken und Sozialmärkten, Alkohol und Zigaretten sind auch verboten. Kriegsvertriebene aus der Ukraine sind von diesen Regeln jedoch nicht betroffen.

Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer und Asyl-Landesrat Christoph Luisser bei einer PK zur Sachleistungskarte in NÖ - Foto NLK Pfeiffer

Kann die Sachleistungskarte ihre Versprechen einlösen?

Staatliche Zahlungen an Asylwerber:innen sollen also in Zukunft weniger, und vor allem weniger an administrativem Aufwand kosten. Daneben soll die Sachleistungskarte Fluchtmigration nach Österreich unattraktiver machen, gleichzeitig will man die Ausgaben von Asylwerbenden genauer kontrollieren als zuvor.

Doch ob die Einführung einer Sachleistungskarte das leisten kann ist unklar. Für konkrete Erfahrungen mit dem angestrebten System blickt das Innenministerium nach Deutschland, wo ein entsprechendes Gesetz bereits am 16. Mai in Kraft trat.

Aber: auch in Deutschland basierte die Einführung der Sachleistungskarte nicht auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Eine in der Zwischenzeit erschienene Studie des Berliner Instituts für empirische Migrationsforschung ergab folgendes:

Der geringere Verwaltungsaufwand… …ist nicht garantiert: “Dies kann nur der Fall sein, wenn die Bezahlkarte Wertgutscheine oder Sachdienstleistungen ersetzt”. Hinzu kommen möglicherweise ‘indirekte Kosten’. Entgegen der Behauptungen antragstellender Abgeordneter der CDU/CSU Fraktion, verschlechtert die Integrationschancen für Asylwerbende, dies kann mit volkswirtschaftlichen Verlusten und somit neuen Kosten für den Staat einhergehen.

Eindemmung der illegalen Migration? Als wichtigstes Argument für die Einführung einer Sachleistungskarte werden Begrenzung des Missbrauchs von Sozialleistungen sowie Eindämmung der illegalen Migration allgemeiner angeführt. Staatliche Geldleistungen würden in die alte Heimat oder an Schlepper rücküberwiesen und so der Nachzug von immer mehr Menschen angekurbelt.

Das ist jedoch von vielen Faktoren so wie der Höhe an Rücküberweisungen und der individuellen Situation der Rücküberweisenden und Empfänger:innen abhängig. Rücküberweisungen bedeuten nicht immer einen Migrations- oder Fluchtanreiz. Finden sie einmal in bedeutsamer Höhe statt, so können sie durchaus die finanzielle Hürde für Migration senken. Sie können jedoch auch die Lebensqualität von Empfänger:innen vor Ort verbessern. In diesem Fall steigen die Migrationsanreize nicht, sondern sie sinken.

Viel wichtiger ist im Kontext der Bezahlkarte jedoch, dass die staatlichen Geldleistungen für Asylwerber:innen schon heute kaum dazu ausreichen, bedeutsame Rücküberweisungen zu tätigen. Zur Erinnerung: Asylwerber:innen kommt in einem ersten Schritt nur die sogenannte Grundversorgung zuteil, das bedeutet maximal 40€ pro Monat Taschengeld und 10€ pro Monat Freizeitgeld. Bekommen sie einen positiven Asylbescheid, können sie Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung beziehen, sollte dies nicht der Fall sein, beziehen sie weiterhin die Grundversorgung.

Nun unterscheiden sich diese Zahlen nicht wesentlich von den Geldmitteln, die Asylwerber auch zukünftig mit einer Sachleistungskarte verfügbar haben werden. Außer man geht davon aus, dass Asylwerber:innen gegenwärtig andere Geldmittel der Grundversorgung missbrauchen. Das wären dann, im besonderen Fall, dass sie auf dem privaten Mietmarkt eine Wohnung finden, ihr Mietzuschuss, oder zweitens, das Verpflegungsgeld in Höhe 260€ pro Erwachsener pro Monat und 145€ pro Minderjährige Person pro Monat.

Es handelt sich also ehrlicherweise um recht niedrige Beträge für essentielle Komponenten alltäglichen Lebens, die das menschenwürdige Überleben von Asylwerber:innen in Österreich gewährleisten sollen. Hinzu kommt, dass es in der Realität es kaum handfeste Beweise für den Missbrauch dieser Sozialleistungen gibt.

Die sozialen Auswirkungen… sind nicht zu unterschätzen. Durch eine Asyl-Bezahlkarte werden die Ausgabemöglichkeiten von Asylwerbern stark eingeschränkt. Das betrifft jedoch nicht nur den einzelnen Asylwerber, sondern ihre Integration in das weitere gesellschaftliche Gefüge. Soziale und kulturelle Teilhabe werden, insbesondere bei minderjährigen Kindern, erschwert und es ist davon auszugehen, dass Asylwerber in Folge der Gesetzgebung weniger soziale Kontakte knüpfen werden können.

Dies wirkt sich auf ihre Möglichkeit, eine (Aus-)Bildung wahrzunehmen oder eine Arbeit zu finden aus. Insbesondere eine räumliche Beschränkungen, wie sie derzeit von der schwarz-blauen Landesregierung Niederösterreichs in Form einer Beschränkung des Kaufes von Öffi-Tickets eingeführt wird, haben gesichert negative Auswirkungen. Sie führen aller Wahrscheinlichkeit nach zu mehr Stigmatisierung, Diskriminierung und sozialer Segregation.

Die genauen Auswirkungen werden abhängig von der genauen Ausgestaltung der Bezahlkarte abhängig sein. Doch eines ist klar: je restriktiver die Regelung, desto negativer zeigen sich die oben genannten Auswirkungen. Gleichzeitig bleibt selbst bei eher lockeren Regelungen die Sinnhaftigkeit des Projekts zweifelhaft.

Wie wollen wir mit Menschen umgehen?

Die Idee einer Sachleistungskarte für Asylwerber:innen wirkt weder ausgereift noch gibt es Hinweise, dass sie wirklich einen größeren positiven Effekt haben wird. Eine eine Reduktion des Verwaltungsaufwands ist erstrebenswert, würde argumentativ aber auch ohne populistisches Beiwerk wie die Unterstellungen von Sozialleistungsmissbrauch auskommen. Natürlich handelt es sich trotzdem um Themen, mit denen sich Stimmen rechts der Mitte gewinnen lassen können, aber oftmals auf absurde Weise: Man möge sich vorstellen, dass in einem Land, wo pro Kopf jährlich 26,3 Liter Wein (stand 2023) konsumiert werden, Personen in NÖ am etwaigen Stammtisch beim Heurigen nicht mittrinken dürfen, weil Sie gerade ein aktives Asylverfahren haben – außer sie sind Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, dann gehts.
Wein beim Heurigen für Alle!

ein Artikel von Dominic Ellwardt & Maximilian Reinisch

Quellenverzeichnis – Sachleistungskarte