KPÖ Graz
KPÖ Graz

Was macht die KPÖ Graz anders?

Erstmals seit ihrer Gründung schaffte es die Kommunistische Partei Österreich in Graz, mit 28,84% zur stimmenstärksten Partei gewählt zu werden. Elke Kahr, Stadträtin und Parteivorsitzende der KPÖ Graz, erreichte damit etwas, das zuvor niemand in der Partei erwartet hätte. Der Erfolg brachte der Grazer KPÖ nationale sowie internationale Reaktionen ein – so berichtete sogar die New York Times über den Wahlerfolg der Kommunist*innen in der steirischen Landeshauptstadt. Warum jetzt aber trotzdem kein „Leningraz“ folgt und was für eine Partei die KPÖ eigentlich ist, erklären wir in diesem Artikel. 

Wie schaffte es die KPÖ zu diesem Wahlergebnis?

Seit Jahren gelingt es der KPÖ, in Graz stetig an Einfluss und Stimmen zu gewinnen. Gerade durch ihre Arbeit am Thema Wohnen konnte die kommunistische Partei in der Grazer Bevölkerung viel Sympathie und Vertrauen gewinnen. 

Schon 2017, bei den letzten Wahlen in Graz, erreichte die KPÖ 20% der Stimmen. Für eine Koalition mit der ÖVP reichte es aber trotzdem nicht, da diese unter der Leitung von Siegfried Nagl mit der FPÖ koalierte. Nun erzielte die KPÖ im September ihr bisher bestes Ergebnis: 28,84% – und befindet sich derzeit mit den Grünen und der SPÖ auf der Zielgeraden ihrer Koalitionsverhandlungen. 

Gerade durch die aktive Arbeit und Hilfeleistung für Einwohner*innen der steirischen Landeshauptstadt zu ihrem Kernthema Wohnen bekam die KPÖ immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung. Mit der Einführung des Kautionsfonds für Personen, die sich die hohen Kautionskosten einer neuen Wohnung nicht leisten konnten und durch den von der KPÖ Graz ins Leben gerufene Mieternotruf, eine speziell eingerichtete Beratungs- und Hilfshotline für alle Angelegenheiten rund ums Wohnen, konnte die Partei um Elke Kahr viele Wähler*innen erreichen. Und das nicht nur bei einkommensschwächeren Personen: Die KPÖ hat über ganz Graz hinweg, auch in den Bezirken mit durchschnittlich einkommensstärkerem Einwohner*innen, stark an Stimmen gewonnen.

KPÖ Graz // floomedia
Wahlplakate der KPÖ Graz // KPÖ Graz

Hoher Verlust bei anderen Parteien

Einen entscheidenden Faktor zum Wahlsieg der KPÖ Graz dürfte auch die zuletzt immer häufiger in Kritik geratene Politik des langjährigen ÖVP-Bürgermeisters Siegfried Nagls darstellen. Zu viel Fokus auf das Auto und den Individualverkehr, ein Rekord an Bodenversiegelung und ineffiziente öffentliche Verkehrskonzepte, die viel zu teuer sein würden – so lauten die Vorwürfe gegen den Altbürgermeister.

Auch die SPÖ kann der KPÖ in Graz derzeit wenig entgegensetzen – die KPÖ hat es in den letzten Jahren erfolgreich geschafft, sich als die neue Sozial-Partei zu positionieren und zu etablieren. 

Wer ist Elke Kahr?

Die Bürgermeisterkandidatin der KPÖ Graz, Elke Kahr, hat es geschafft, ihrer Partei ein Gesicht der Arbeit und Hilfsbereitschaft zu verleihen. Durch das niederschwellige Angebot der KPÖ Graz, vielen Menschen schnelle Hilfe zukommen zu lassen, wurde sie zur netten Stadträtin von nebenan. 

  • Sie ist seit 1983 Mitglied der KPÖ Graz und seit 1993 Gemeinderätin in Graz
  • Seit 1998 ist sie Klubobfrau des KPÖ-Gemeinderatsklubs Graz
  • 2005 bis 2017 Stadträtin für Wohnungsangelegenheiten
  • 2016-2017 Bürgermeister-Stellvertreterin
  • Seit 2017 Verkehrsstadträtin
Elke Kahr die Spitzenkandidatin der KPÖ Graz
Elke Kahr // KPÖ Graz

Was bedeutet das „Kommunistisch“ in KPÖ?

Die KPÖ ist sehr alt. Sie ist, nach der Sozialdemokratischen Partei, die zweitälteste noch aktive Partei Österreichs und die drittälteste Kommunistische Partei weltweit. Sie war immer schon eine Kleinpartei und ihre Arbeit beschränkte sich bis auf die Zeit zwischen 1945 und 1959 fast ausschließlich auf außerparlamentarische Arbeit. Auch wenn ihr politischer Einfluss in Österreich immer schon eher gering war, so war sie doch für Österreichs Geschichte äußerst relevant.

Die KPÖ in ihrer heutigen Form ist bereits einen langen ideologischen Weg gegangen. Gegründet wurde sie am 3. November 1918 von einer kleinen linksradikalen Gruppierung, der, obwohl beide Parteien ihren Ursprung in der Arbeiterbewegung hatten, die Sozialdemokratische Partei zu weit rechts abgedriftet war. Das Ziel der KPÖ sollte sein, Österreich in den Sozialismus zu führen. Dabei waren sie davon überzeugt, dass dieser Sozialismus nur durch eine Revolution zu erreichen wäre.

Was ist Kommunismus?

Entstanden im 19. Jhdt. während der Industrialisierung und geprägt durch Karl Marx und Friedrich Engels ist der Kommunismus eine politische Lehrmeinung, in der die Ausbeutung der Menschen durch Menschen beendet werden soll. Das Ziel ist eine klassenlose, freie Gesellschaft in der alle Menschen gleich sind und allen alles gehört.

Was ist Sozialismus?

Aufgekommen unter der Arbeiterschaft im 19. Jhdt. ist der Sozialismus die Vorstufe zum Kommunismus. Es gibt zwei grundlegende Ausprägungen: 1.) Der Reformsozialismus, die schrittweise soziale, politische und wirtschaftliche Verbesserung und 2.) Der revolutionäre Sozialismus, ein radikaler Umsturz, dem ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Neuanfang folgt.

Kampf gegen den Faschismus

Im austrofaschistischen Ständestaat und im Nationalsozialistischen Regime verboten, richtete sich ihr Kampf im illegalen Widerstand gegen den Faschismus und für einen freien unabhängigen Staat Österreich. 1945, nach der Befreiung Österreichs durch die Alliierten, war die KPÖ Teil der provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner und bis 1959 im Nationalrat der Zweiten Republik vertreten.  

Was ist Austrofaschismus?

Zwischen 1933 und 1938 war Österreich eine Diktatur. Nach der “Selbstausschaltung” des Parlaments 1933 installierte sich der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß als Alleinherrschender Österreichs. Bei einem gescheiterten Putschversuch der Nationalsozialisten in Wien wurde Dollfuß ermordet und bis zum Anschluss ans Deutsche Reich 1938 regierte sein Nachfolger Kurt Schuschnigg.

Im Kalten Krieg

Die KPÖ vertrat dabei die Linie der Sowjetunion und lehnte unter anderem auch den Marshallplan zum Wiederaufbau Europas ab.

Was ist der Marshallplan?

Benannt nach dem damaligen US-Außenminister George C. Marshall war der Marshallplan 1947 ein umfassendes Wirtschaftsförderungsprogramm der USA, um das vom Zweiten Weltkrieg zerstörte Europa wieder aufzubauen.

Mit der Neutralität Österreichs und dem Abzug der Sowjetischen Truppen 1955 verlor die KPÖ aber rasch an Einfluss und Bedeutung im westlich orientierten Österreich. 1959 flog sie aus dem Nationalrat und die Nähe zur KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion) bereitete ihr in den weiteren Jahren immer wieder Probleme. Mit dem Kapitalismus kamen auch ein nie dagewesener wirtschaftlicher Aufschwung, Wohlstand und eine allgemeine Verbesserung der Lebensqualität, dem die Politik der KPÖ nichts entgegenzusetzen hatte. 

Die Österreichische Neutralität

Am 26. Oktober 1955 hat sich Österreich freiwillig zur immerwährenden Neutralität verpflichtet. Dieses grundlegende Gesetz der österreichischen Verfassung besagt, dass Österreich keine Militärbündnisse eingehen darf und seine Neutralität mit allen Mitteln aufrechterhalten und verteidigen muss.

Der Bruch in der Partei

Als 1968 Truppen des Warschauer Paktes in der damaligen Tschechoslowakei einmarschierten, bildeten sich in der KPÖ zwei unterschiedliche Fraktionen: Zum einen eine konservative, die die Treue zur Sowjetunion wahren wollte und zum anderen die, die einen Bruch mit dieser forderte. Die Partei kritisierte in dieser Zeit die KPdSU offen, indem sie den Einmarsch der Truppen verurteilte. Teile der KPÖ forderten eine Wende zu einer demokratisch-sozialistischen Partei.

Der Warschauer-Pakt und die NATO

Der Warschauer Pakt war die Antwort der Sowjetunion auf das von den USA 1949 gegründete Militärbündnis NATO. Der Pakt wurde mit anderen kommunistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa gegründet und nach dem Ende des Kalten Krieges wieder aufgelöst.

1971 kehrte die KPÖ jedoch wieder auf die Linie der Sowjetunion zurück und nahm auch die Verurteilung des Einmarschs in die Tschechoslowakei zurück.  

Mit all den parteiinternen Konflikten verlor die KPÖ über die Jahre hinweg an Mitgliedern und Stimmen. Erst in den 1990er-Jahren konnte sich die Partei vor allem in der Steiermark wieder etablieren.

Jetzt, 2021, stellt die KPÖ Graz mit Elke Kahr zum ersten Mal die Bürgermeisterin in Graz.

Was sind die Kernthemen der KPÖ Graz? 

Das Wahlprogramm der KPÖ Graz ist durchzogen mit Kritik am derzeitigen System. Es werde zu viel für Unternehmen und zu wenig für die Bevölkerung gemacht. Das Soziale soll wieder in den Vordergrund treten und für eine gerechtere Stadt sorgen. Gerade mit dem Thema Wohnen hat die KPÖ Graz in den letzten Jahren viel Vertrauen bei der Grazer Stadtbevölkerung gewonnen.

Das Wahlprogramm in Punkten zusammengefasst:

  • Mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich der Stadt Graz
  • Verringerung der Arbeitszeit und 15€ als verpflichtender Mindeststundenlohn
  • Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel wie Straßenbahn und S-Bahn.
  • Graz soll mehr Grundstücke für Gemeindewohnungen kaufen und weniger Platz für private Investor*innen bieten.
  • Wohnen durch Mietobergrenzen und Abschaffung der Maklergebühr günstiger machen.
  • Für Gleichberechtigung aller Frauen und gegen Diskriminierung von Minderheiten
  • Verringerung der Löhne von Politiker*innen
  • Mehr Miteinbeziehung der Bevölkerung in Bezirken

KPÖ-Grüne-SPÖ Koalition 

Das Wahlprogramm der KPÖ Graz weist einige Parallelen zu denen ihrer Koalitionspartnerinnen SPÖ und Grüne auf. Bei Wohnen und Arbeit unterscheidet sich das Programm der KPÖ Graz und der SPÖ sogar kaum: mehr sozialer Wohnbau und mehr Erwerb von Fläche für Gemeindebauwohnungen, einen kollektiven Mindestlohn von 1.7000€ und eine Arbeitszeitreduktion. 

Beim Thema Klimaschutz gibt es auch einige Überschneidungen mit den Grünen. So sollen in Graz weniger Autos fahren – ein weitgehender Ausbau der Öffis (S-Bahn und Bim) wird gefordert. Auch sollen mehr Grünflächen entstehen und mehr Bäume gepflanzt werden.

Quellen:
www.bpb.de/warschauer-pakt
www.bpb.de/kommunismus
www.bpb.de/sozialismus
https://steiermark.orf.at/
https://www.kpoe.at/
https://www.kpoe-graz.at/
https://de.wikipedia.org/

Mugrauer, M. and Kommunistische Partei Österreichs (2009) 90 Jahre KPÖ : Studien zur Geschichte der Kommunistischen Partei Österreichs. Wien: Eigenverl. Alfred-Klahr-Ges.