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Ist die heutige Welt zu schnell?

Die Welt, wie wir sie heute kennen, ist vernetzt und technologisch so fortgeschritten wie niemals zuvor. Innerhalb von 24 Stunden passieren viele Dinge gleichzeitig – häufig in Echtzeit übermittelt – und das Gefühlt entsteht, die Erde werde immer schneller.

Das bezeichnet man als Zeit-Raum-Kompression oder als „shrinking world“-Phänomen. Zahlreiche Aspekte unseres Lebens sind davon betroffen: die Wirtschaft, das Sozialleben, die Psyche, die Umwelt.

Doch warum ist das so? Wer bzw. was ist der Motor unseres immer schneller werdenden Globus? Ist das überhaupt gut? Und ganz grundsätzlich: Stimmt es überhaupt, dass die Welt im Vergleich zu früher schneller ist?

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Wir leben in einer vernetzten und technologisch hoch entwickelten Welt

Warum wird die Welt schneller?

Häufig werden Globalisierung, der Kapitalismus und die technische Entwicklung für die zunehmende Schnelligkeit der Welt verantwortlich gemacht. Doch auch der steigende Wohlstand und der Status quo der Gesellschaft, immer und überall erreichbar und up-to-date zu sein, hat Auswirkungen auf unser Schnelligkeitsempfinden.

Globalisierung, was ist das nochmal? Vereinfach gesagt bedeutet Globalisierung, dass die Welt vernetzter wird. Egal, ob Politik, Kultur, Umwelt oder Wirtschaft – die Verflechtungen auf internationaler Ebene nehmen zu. Internationale Abkommen und Transportwege, transnationale Gesetze, einheitliche Produkte, riesige Firmen. Es scheint, als würde die einst so große weite Welt schrumpfen: Wir kommen überall hin, wir kennen alle ähnliche Produkte, wir teilen oft sogar die gleichen Werte.

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Einmal um den Globus und wieder zurück: Transportwege sind nur ein Grund für eine schnellere Welt

Auch der Kapitalismus geht Hand in Hand mit einer schneller werdenden Welt: Es wird fortlaufend produziert, egal ob Produkte oder Dienstleistungen. Die Auswahl ist enorm, das Streben nach mehr dominiert: schneller, besser, günstiger. Überkonsumierung und Überstimulierung sind die Folge der heutigen Welt, in der der Kapitalismus Überhand genommen hat. Außerdem wächst mit dem Kapitalismus auch der Wohlstand. Folglich können es sich Menschen leisten, das Internet zu nutzen, spontan in den Urlaub zu fliegen, etc.

Natürlich könnte man sagen, die Produktion von Produkten selbst führt nicht zu einer schneller werdenden Welt. Niemand zwingt uns schließlich dazu, diese zu konsumieren. Oder etwa doch? Die Rolle der Gesellschaft ist in diesem Szenario nicht zu unterschätzen.

Als Individuum in einer Gesellschaft, wo einem doch so viele Türen offen stehen, wird man fast zu seinem Glück gezwungen: „Sei up-to-date. Sei erreichbar. Geh ins Ausland. Bau ein Netzwerk auf. Erkunde die Welt.“ Ständig wird uns vorgepredigt, wir sollen doch die Zeit auf unserem Planeten im höchsten Ausmaß nutzen – und dadurch wird die Beschleunigung der Welt immer weiter angekurbelt.

Welche Vorteile bringt die Schnelligkeit mit sich?

Eine schnellere Welt ermöglicht es, problemlos und häufig kostenlos mit zahlreichen Menschen aus aller Welt in Kontakt zu treten und diesen auch zu halten. Bequemlichkeit findet im Leben zunehmend mehr Platz. Schnell und einfach an Informationen zu kommen, stellt auch keine besondere Herausforderung mehr dar. Auch inter- und transnationale Kooperation wird gefördert.

Ein Vorteil der Schnelligkeit ist die Bequemlichkeit. Um von A nach B zu kommen, muss man nicht mehr Tage reisen. Um einzukaufen, muss man nicht mehr in die Stadt fahren, Online-Shopping geht auch entspannt von der Couch aus. Selbst das Kochen bleibt einem erspart, da auch Essenslieferungen keine Hexerei mehr darstellen. Häufig geht all dies auch parallel, die Zeit vergeht scheinbar schneller.

Heutzutage dauert es nicht lange, um schnell Informationen zu den verschiedensten Themen zu erlangen. „Wart´, ich google schnell“, ist wohl einer der meistgebrauchten Sätze in jeglicher Unterhaltung und Diskussion. War man früher noch auf Bibliotheken oder gar Boten angewiesen, so ermöglichen Live-Ticker, Pop-Up-Benachrichtigungen und das Internet als Ganzes Zugriff auf ein breitgefächertes Informationsangebot.

Zudem fördert Globalisierung internationale Kooperation. Dies wiederum verlangt einen regen Austausch zwischen den beteiligten Akteuren, seien es Individuen, Staaten oder Institutionen. Eine schnellere Welt erlaubt ein einfacheres gemeinsames Vorgehen, man kann schneller über die nationalen Grenzen hinaus mit anderen Leuten in Kontakt treten, sich beraten und gemeinsam entscheiden. Außerdem bedarf es bei gewissen Ereignissen einfach an Schnelligkeit: Eine Tsunami-Meldung muss nun einmal hier und jetzt rausgehen und nicht innerhalb der nächsten drei Werktage.

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Zusammenarbeit über die eigenen Landesgrenzen hinaus

Was sind die Nachteile einer immer schneller werdenden Welt?

Neben den Negativ-Effekten der Globalisierung und des Kapitalismus wirkt sich die zunehmende Schnelligkeit der Welt negativ auf die Psyche aus.

Heutzutage hat in unserer Gesellschaft faktisch jede*r einen Zugang zum Internet. Auch die technische Ausstattung für Home-Office und Distance-Learning wurde spätestens seit Corona verbessert. Trotz der vielen Vorteile, die dies mit sich bringt, entwickelte sich auch ein Negativ-Trend: Es wird vorausgesetzt, ständig erreichbar zu sein, teilweise auch an Sonn- und Feiertagen. Kaum noch kommt man zur Ruhe, Stress und Burnout-Symptome sind die Folge.

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Täglich strömen tausende Informationen auf uns ein – Reizüberflutung und Stress können daraus resultieren

Zudem kommt es nicht selten vor, dass sich der Mensch überfordert fühlt: Es passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass einem fast die Zeit fehlt, diese überhaupt noch zu verarbeiten. Überstimulierung und Reizüberflutung überschreiten die Aufnahme- und Verarbeitungskapazität des Gehirns. Erneut treten Stresssymptome auf – die Welt ist zu schnell für das Wohlbefinden.

Allerdings zeichnet sich ein Trendwechsel in dieser Entwicklung ab: Immer mehr Menschen treten für eine 30-Stunden-Woche ein, mancherorts ist es sogar per Gesetz verboten, an freien Tagen kontaktiert zu werden. Auch das generelle Tabu-Thema Mental Health und Burn-Out wird vermehrt aufgearbeitet.

Kann man wirklich sagen, dass die Welt früher langsamer war?

Pauschal lässt es sich schwer sagen, dass die Welt früher langsamer war als sie es heute ist. Wichtig ist es, auf welche Ebene man den Fokus legt.

Es hat auch früher schon Wirtschaftsverflechtungen gegeben, Menschen hielten auch so Kontakt mit anderen und reisten gelegentlich in ferne Länder. Zu sagen, früher sei nichts gleichzeitig passiert, wäre also falsch.

Allerdings liefen viele Dinge nicht so offensichtlich parallel ab: Es gab keinen Live-Ticker, der die Menschen 24/7 über alles informierte. Noch dazu waren die Preise hoch: Ein Telefonanruf in den 70ern ist aus Kostensicht nicht vergleichbar mit der heutigen Zeit. Auch das Internet existierte nicht in der heutigen Form und die Geräte, mit denen man auf das Internet zugreifen konnte, waren für viele Menschen nicht leistbar.

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Die Welt hat sich verändert: Doch ist sie wirklich schneller geworden?

Früher bekam man als Normalbürger*in also nicht allzu viel von der Welt mit. Natürlich gab es Zeitungen und in manchen Haushalten auch TV-Geräte. Doch das Angebot war weitaus geringer als das heutige.

Dennoch: Nur weil die Menschen damals nicht die technischen und finanziellen Mittel hatten, muss die Welt in deren Augen nicht gleich langsamer gewesen sein. Zwar pflegte man damals vielleicht nicht so viele internationale Beziehungen, eher sondern die zu seinen eigenen Nachbar*innen. Vielleicht ist unser heutiges Szenario von „Ich lieg auf der Couch, schau Netflix und kauf mir ein Paar Schuhe auf Amazon“ das Äquivalent zum damaligen „Ich gehe eine Runde mit Freunden spazieren und hol´ mir am Weg zurück ein paar Lebensmittel“.

In beiden Szenarien werden mit einem Schlag zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Die Ebenen der Schnelligkeit sind jedoch anders: Damals war die Welt schnell auf lokaler Ebene, mittlerweile auf globaler.

Was heißt das nun?

Die Welt wird wohl niemals stillstehen. Obwohl die Menschheit seit ihrer Existenz von gewissen Sorgen, Technikfortschritten und Verflechtungen geprägt ist, so lässt es sich kaum abstreiten, dass der Globus noch nie so schnell war wie heute. Ob diese Entwicklung jedoch immer so gut ist, ist fraglich. Damit bleibt nur noch die Frage: Wie schnell ist zu schnell?