Sophie Karmasin im Nationalrat © Parlamentsdirektion / Thomas Topf
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ÖVP Inseratenaffäre: Warum wurde Sophie Karmasin verhaftet?

Sophie Karmasin, Meinungsforscherin und frühere ÖVP-Familienministerin, sitzt in U-Haft, nachdem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einen entsprechenden Antrag beim Wiener Landesgericht für Strafsachen eingebracht hat. Laut WKStA soll Karmasin eine tragende Rolle in der ÖVP-Inseratenaffäre gespielt haben und mehrere Studien bei ihrer ehemaligen Mitarbeiterin Sabine Beinschab bestellt haben.  

Was ist U-Haft?

Die Untersuchungshaft, kurz U-Haft, ist eine Zwangsmaßnahme, die eine Staatsanwaltschaft während einer Ermittlung mit begründeten Verdacht beantragen kann.

Über die Inseratenaffäre hinaus besteht laut WKStA der dringende Verdacht, dass Sophie Karmasin sich via illegale Preisabstimmungen öffentliche sowie private Aufträge erschlichen haben soll. 

Insgesamt besteht seitens der WKStA der Verdacht, dass die mutmaßlichen strafbaren Handlungen Karmasins sich über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren erstrecken sollen.

Für Sophie Karmasin gilt, wie für alle anderen Beschuldigten in der Causa ÖVP-Inseratenaffäre, die Unschuldsvermutung. Im Mittelpunkt dieser Causa stehen weiterhin der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz, der ehemalige ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie Medien-Macher Wolfgang und Helmuth Fellner.

Was ist die Inseratenaffäre?

Bei der Inseratenaffäre geht es um den Verdacht, dass Sebastian Kurz sich durch gefälschte Umfragen und positive Berichterstattung politische Vorteile erkauft haben soll.

Sophie Karmasin & die Inseratenaffäre

Karmasin soll laut der WKStA 13 Studien bei Sabine Beinschab bestellt haben, welche via Scheinrechnungen des Finanzministeriums bezahlt wurden und in der Medien-Gruppe „Österreich“ anschließend veröffentlicht wurden. Das mutmaßliche Ziel der Aktion: Sebastian Kurz (ÖVP) einen politischen Vorteil zu verschaffen.

Sophie Karmasin gilt laut WKStA mutmaßlich als Ideengeberin in Bezug auf die Entwicklung des „Beinschab-Österreich-Tools“. 13 Studien sollen von Karmasin bei ihrer Ex-Mitarbeiterin Sabine Beinschab bestellt worden seien. Diese Umfragen wurden in der Medien-Gruppe „Österreich“ veröffentlicht und sollen primär Sebastian Kurz sowie der ÖVP gedient haben.

Sophie Karmasin
MMag. Dr. Sophie Karmasin. Foto (c) Oesterreichs Energie/Martin Vandory

Diese Umfragen sollen über Scheinrechnungen ausgehend vom Finanzministerium finanziert worden seien. Dabei sollen die Studien mehr als 300.000 € gekostet haben, wobei Karmasin jeweils eine Provision von 20% kassiert haben soll. 

Zusätzlich sollen mutmaßlich Inserate in der Tagezeitung „Österreich“ gekauft vom Finanzministerium mit dem Hintergedanken, dass man als Gegenzug eine positive Berichterstattung über Sebastian Kurz erhalten würde. 

Die WKStA sieht als mutmaßliches Ziel dieser Aktion den Versuch Sebastian Kurz, damals 2016 noch Außenminister, zu „pushen“.

Wenn dies so war, dann gelang dies auch so. 2017 kam es nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner als Vizekanzler und ÖVP-Obmann zu Neuwahlen. Sebastian Kurz gewann diese Wahl mit seiner „neuen ÖVP“ und wurde folglich Bundeskanzler.

Die teuren Sportstudien

Durch Preisabsprachen unter anderem mit Sabine Beinschab und Edeltraud G. soll Karmasin Aufträge bekommen haben, da die anderen Scheinangebote preislich immer über ihrem lagen. Zu diesen Studien gehören auch zwei Studien für das Sportministerium. Diese Preisabsprachen soll es auch in der Privatwirtschaft gegeben haben.

Laut der Aussage der Demoskopin Edeltraud G. hat Sophie Karmasin ihre damalige Mitarbeiterin Sabine Beinschab (auch Beschuldigte in der ÖVP-Inseratenaffäre) sowie Edeltraud G. aufgefordert, Scheinangebote für öffentliche Anträge einzureichen, welche preislich weiter über denen von Sophie Karmasin lagen.

Was ist Scheinangebot?

Ein Scheinangebot beschreibt ein preislich viel zu hohes Angebot für einen Antrag, welches im Vorfeld abgesprochen, um entweder den Preis künstlich in die Höhe zu treiben oder zu garantieren, dass ein bestimmtes Angebot den Auftrag bekommt – oder auch beides. 

G. sagt, dies bei zwei Studien (zwischen 2019 und 2021) für das Sportministerium gemacht zu haben, wohlwissend, dass dieses Vorgehen eigentlich nicht korrekt ist. Es handelt sich um die Studien „Motivanalyse Bewegung und Sport“ (63.600€) sowie „Frauen im Vereinssport“ (76.688€).

Das Sportministerium bestätigte nach einer Anfrage der APA, dass diese zwei Studien wirklich beauftragt wurden. Bei der Frage, warum externe Studien überhaupt in Auftrag gegeben werden meinte Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne), dass es in bestimmten Bereichen sinnvoll ist, andere Blickwinkel durch die Expertise von außenstehenden Personen zu erhalten.

Sophie Karmasin // floomedia
Klubobmann Werner Kogler (die Grünen) am Rednerpult

Diese Vorgehensweise soll nicht nur im öffentlichen Raum angewendet worden sein, sondern auch in der Privatwirtschaft. So gab es laut G. Preisabsprachen bei Anboten für einen Berufsverband und einen Energiekonzern. 

Minister-Gehaltsfortzahlungen 

Sophie Karmasin soll nach Ende ihrer Amtszeit eine Gehaltsfortzahlung beantragt haben, obwohl sie damals noch andere Einkünfte hatte. Sie bekam über vier Monate verteilt rund 50.000€. Sophie Karmasins Anwalt betonte jedoch, dass eine Rückzahlung schon eingeleitet wurde.

Politiker*innen haben nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt Anspruch auf 75% ihres Gehalts für maximal sechs Monate. 

Wie geht es weiter?

Die verhängte U-Haft ist nun für 14 Tage gültig. Nach diesen 14 Tagen findet eine erste Haftprüfung statt.